"Putin hat einen Plan: Er will Entwicklungsländer aushungern"

Russian President Vladimir Putin attends Zapad-2021 joint Russian-Belarus military drills
Der Historiker Timothy Snyder vermutet hinter Moskaus Schwarzmeer-Blockade einen größeren Plan: Der Kreml wolle absichtlich eine Hungerkrise erzeugen, damit sich wieder Migranten nach Europa aufmachen.

Hunger als Waffe, das ist in Russland nichts Neues. Stalin hat diese Taktik in den 1930ern gewählt, um  aufkeimendes Nationalbewusstsein niederzuschlagen. Millionen Ukrainer starben so im Holodmor, der von ihm absichtlich herbeigeführten Hungersnot, und auch in anderen Sowjetrepubliken war er ähnlich grausam.

Russlands Präsident Putin hat schon bei der Belagerung Mariupols und anderer ukrainischer Städte eine ähnliche Strategie verfolgt. Dort wurde absichtlich die Wasserzufuhr gekappt, die Lebensmittelzufuhr wurde abgeschnitten - auch ihm wurde das absichtliche Aushungern der Bevölkerung unterstellt.

Timothy Snyder, einer der renommiertesten Historiker, die sich mit der Ukraine auseinandergesetzt haben - von ihm stammt das Standardwerk Bloodlands -, erhebt nun noch einen weiteren Vorwurf gegen Putin. Der Kremlherrscher wolle mit der Ausfuhrblockade von Getreide eine Hungersnot in den Entwicklungsländern der Welt herbeiführen, schreibt Snyder auf Twitter.

 

"Massensterben für die Propaganda"

Die Ukraine ist bekanntermaßen einer der größten Getreideexporteure der Welt. Durch die Blockade der russischen Armee im Schwarzen Meer kann aber derzeit kein Schiff mit der Ernte auslaufen; Gespräche darüber scheiterten bisher. Snyder vermutet dahinter die Absicht, ganz im Stile Stalins und auch Hitlers eine Lebensmittelkrise in den Entwicklungsländern zu provozieren: "Wenn die russische Blockade fortgesetzt wird, werden zig Millionen Tonnen Lebensmittel in den Silos verrotten, und zig Millionen Menschen in Afrika und Asien werden hungern."

Putin wolle damit nicht nur "den ukrainischen Staat zerstören", sondern vor allem Europa in die Knie zwingen und zu Zugeständnissen bringen. In Folge würden sich nämlich Flüchtlinge aus Nordafrika und dem Nahen Osten Richtung Europa aufmachen - das wiederum würde zu einer neuen Krise in der EU führen.

Putin nutze "eine weltweite Hungersnot", um seine Kampagne gegen die Ukraine zu führen. "Ein echtes Massensterben dient dann als Kulisse für seine Propaganda", so Snyder. Denn sobald Lebensmittelunruhen beginnen, sich die Hungersnot ausbreite, werde der Kreml umgehend der Ukraine die Schuld für die Misere geben - und im Gegenzug die Anerkennung seiner Gebietsgewinne und die Aufhebung aller Sanktionen fordern. 

"Russland plant, Asiaten und Afrikaner auszuhungern, um seinen Krieg in Europa zu gewinnen. Dies ist eine neue Stufe des Kolonialismus und das neueste Kapitel der Hungerpolitik", schreibt Snyder.

 

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