Explosionen und Schüsse bei Razzia in Brüssel

Einsatz im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek.
Medien berichten von Evakuierung einer Metrostation. Mann im Stadtteil Schaerbeek "neutralisiert". Verdächtige in Deutschland festgenommen.

Bei einem Anti-Terror-Einsatz in der Brüsseler Gemeinde Schaerbeck ist am Freitag ein Verdächtiger verletzt und festgenommen worden. Nach Informationen des Senders RTBF hatte der Verdächtige einen Rucksack oder einen Koffer mit Sprengstoff dabei. Bei der Razzia habe es drei Explosionen gegeben, berichtete der Sender. Der Mann stehe im Zusammenhang mit den Attentaten in Brüssel vom Dienstag, sagte der Bürgermeister der Gemeinde, Bernard Clerfayt, dem Sender. Aus französischen Polizeikreisen hieß es, die Razzia stehe in Zusammenhang mit der Festnahme eines Islamisten bei Paris vom Vortag.

Zuvor hatte es unter Berufung auf französische Sicherheitskreise geheißen, die Razzia in Brüssel stehe in Zusammenhang mit dem gestern vereitelten Anschlagsplänen in Frankreich.

Bei dem groß angelegten Polizeieinsatz zur Durchsuchung eines Hauses in Schaerbeek waren zu Beginn zwei Explosionen zu hören, um 14.30 Uhr gab es eine weitere Detonation. Die Detonationen seien "kontrolliert" gewesen, sagte Clerfayt. Nach dem RTBF-Bericht kam ein Entminungsroboter zum Einsatz. Die Gegend wurde großräumig abgesperrt, die Anrainer aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben.

Der Sender RTL berichtete unter Berufung auf einen Augenzeugen, die Polizei habe eine Person an einer Bushaltestelle aufgefordert, ihre Jacke auszuziehen. "Sie wollten ohne Zweifel überprüfen, ob die Person einen Sprengstoffgürtel trug."

Ermittler hatten RTBF zufolge bereits Freitag früh einen weiteren Verdächtigen in der Gemeinde Forest festgenommen. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.

Bereits in der Nacht auf Freitag wurden bei Razzien unter anderem in Schaerbeek sechs Verdächtige festgenommen (mehr dazu weiter unten).

Medien: Metrostation Arts-Loi wird evakuiert

Kurz nach der Polizei-Razzia ist die Metrostation Arts-Loi zwischen der Innenstadt und dem Europaviertel evakuiert worden. Dies berichteten die Zeitungen Le Soir sowie La Derniere Heure übereinstimmend unter Verweis auf Journalisten vor Ort. Arts-Loi befindet sich nur einen Stop von Maelbeek entfernt, wo am Dienstag einen Bombe 20 Menschen tötete.

Tod von Laachraoui bestätigt

Der 24-jährige Najim Laachraoui ist einer der beiden Selbstmordattentäter vom Brüsseler Flughafen. Damit bestätigte die Staatsanwaltschaft am Freitag übereinstimmende Berichte belgischer Medien der vergangenen Tage. Laachraoui war auf Bildern einer Überwachungskamera links zu sehen. Er gilt als Komplize des am vergangenen Freitag in Brüssel im Zusammenhang mit der Pariser Terrorserie vom November 2015 festgenommenen Salah Abdeslam.

Explosionen und Schüsse bei Razzia in Brüssel
Police use a robotic device as they take part in a search in the Brussels borough of Schaerbeek following Tuesday's bombings in Brussels, Belgium, March 24, 2016. REUTERS/Christian Hartmann

"Spiegel": Verdächtige in Deutschland festgenommen

Nach einem Bericht des Magazins Der Spiegel Festnahmen auch in Deutschland gegeben. Nach nicht näher bezeichneten Informationen des Spiegel griff die Polizei je einen Mann im Großraum Gießen und im Raum Düsseldorf auf, bei denen es Verbindungen zu einem der Brüsseler Attentäter geben soll. Art und Ausmaß dieser Verbindungen wurden demnach noch untersucht.

Bei dem am Donnerstagnachmittag von einem Spezialeinsatzkommando im Raum Düsseldorf Festgenommenen handelt es sich dem Bericht zufolge um Samir E., der dort der salafistischen Szene zugeordnet werde. Er sei ebenso wie der Brüsseler U-Bahn-Attentäter Khalid El Bakraoui im Sommer 2015 von türkischen Behörden im Grenzgebiet zu Syrien unter dem Verdacht aufgegriffen worden, für Islamisten dort kämpfen zu wollen. Beide seien nach Amsterdam abgeschoben worden, von wo sie in die Türkei aufgebrochen waren.

Ein Sprecher der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft bestätigte mittlerweile die Festnahme. Der Haftbefehl laute auf Bandendiebstahl. Ebenfalls bestätigte der Sprecher die gemeinsame Reise mit Bakraoui. Abseits dessen habe die Staatsanwaltschaft "keine belastbaren Anhaltspunkte zum gegenwärtigen Zeitpunkt, dass hier konkret irgendeine Tat beabsichtigt wurde."

Explosionen und Schüsse bei Razzia in Brüssel
ABD0043_20160325 - Polizisten stehen am 25.03.2016 vor einem Wohnhaus in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen). Hier wurde am Vortag Medienangaben zufolge der Salafist Samir E. festgenommen, der möglicherweise zum Umfeld der Brüsseler Attentäter gehört. Foto: Marius Becker/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Bereits am Mittwochabend wurde laut dem Spiegel-Bericht zudem im Raum Gießen ein Mann aufgegriffen, der zwei verdächtige SMS vom Tag der Brüsseler Anschläge auf seinem Telefon gehabt haben soll. Eines davon enthalte den Namen von Khalid El Bakraoui. Eine weitere Nachricht bestehe nur aus dem französischen Wort "fin" (deutsch: Ende) und sei drei Minuten, bevor sich Bakraoui in die Luft sprengte, gesendet worden.

Die Brüsseler Terrorzelle hatte auch Kontakte zu zwei Dschihadisten in Salzburg. Österreichs Behörden ermitteln. Mehr dazu finden Sie hier.

Zweiter Metro-Attentäter in Haft?

Die belgische Polizei hat einem Zeitungsbericht zufolge den mutmaßlichen zweiten Attentäter des Anschlags auf die Brüsseler Metro festgenommen. Ein Polizist habe den Mann, der auf Überwachungskameras zu sehen sein soll, wiedererkannt, berichtete die Zeitung De Standaard am Freitag. Die Staatsanwaltschaft bestätigte die Festnahme nicht.

Die Aufnahmen zeigen offenbar den Mann neben Khalid El Bakraoui, der den Selbstmordanschlag auf die Metro verübt haben soll. El Bakraouis Bruder Ibrahim hat sich den Ermittlungen zufolge am Brüsseler Flughafen in die Luft gesprengt. Bei den Anschlägen am Dienstag kamen mindestens 31 Menschen ums Leben, mehr als 300 wurden verletzt.

Der Sender RTBF berichtete unterdessen, dass die Polizei eine siebte Person im Viertel Forest festgenommen hat, nachdem sie am Donnerstagabend bereits sechs Verdächtige verhaftete.

Weiterer Anschlag verhindert?

In Argenteuil bei Paris fänden weiter Hausdurchsuchungen statt, an denen auch Bombenexperten beteiligt seien. Bei dem Festgenommenen handelt es sich laut Cazeneuve um einen Franzosen. Laut Polizeikreisen ist er im vergangenen Jahr zusammen mit dem mutmaßlichen Drahtzieher der Pariser Anschläge verurteilt worden. Reda K. sei im Juli in Brüssel gemeinsam mit Abdelhamid Abaaoud in Abwesenheit wegen Mitgliedschaft in einer Dschihadistenzelle schuldig gesprochen worden, verlautete am Freitag aus Kreisen der Ermittler.

Abaaoud war kurz nach den Pariser Anschlägen im November mit 130 Toten bei einem Polizeieinsatz in Saint-Denis bei Paris getötet worden. Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve hatte am Donnerstag eine "bedeutende Festnahme" verkündet, durch die ein "im fortgeschrittenen Stadium geplantes Attentat in Frankreich vereitelt wurde".

"Kein greifbares Element" verbinde aber "diesen Plan mit den Attentaten von Paris und Brüssel", sagte Cazeneuve in einer ersten Stellungnahme. Laut Polizeikreisen wurde in der durchsuchten Wohnung in Argenteuil bei Paris eine kleinere Menge Sprengstoff gefunden. Die Umgebung sei abgesperrt worden.

Explosionen und Schüsse bei Razzia in Brüssel
Bei einer Polizeioperation in Argenteuil wurde Krikets Wohnung durchsucht

CNN: IS plant Anschläge auf mehrere Ziele

US-Sicherheitsbehörden haben laut einem Bericht des Senders CNN Erkenntnisse über weitere Anschlagspläne des Islamischen Staates (IS) in Europa. Eine Auswertung von elektronischer Kommunikation und Aussagen von Informanten deute auf mehrere mögliche Ziele hin, die Mitglieder der Terrormiliz in den vergangenen Monaten ausgewählt hätten, berichtete der Sender unter Berufung auf Sicherheitskreise in den USA. Die Rede war von Plänen in unterschiedlichen Stadien. Informationen, die nach den Brüsseler Anschlägen in einer Wohnung gefunden worden seien, deuteten daraufhin, dass mehrere weitere Ziele ausgewählt worden seien, berichtete der Sender.

Bedrohungslage in Europa bleibt hoch

Auch das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) warnt vor weiteren Terroranschlägen durch die Terrormiliz IS in Deutschland und ganz Europa. "Europa steht schon seit Langem im Spektrum islamistischer Propaganda. Aktuell kommt hinzu, dass der sogenannte Islamische Staat in Syrien und im Irak geschwächt ist", sagte BKA-Präsident Holger Münch der Bild-Zeitung. "Damit steht die Terrorgruppe unter Druck und braucht spektakuläre Aktionen, um Aufmerksamkeit zu erregen und Macht zu demonstrieren."

Der IS rufe seine Anhänger verstärkt dazu auf, Anschläge in den Heimatländern der "Ungläubigen" zu verüben, sagte Münch. "Das bedeutet: Die Bedrohungslage in Europa bleibt hoch, weitere Anschläge sind nicht auszuschließen." Der BKA-Präsident mahnte die Politik, den Sicherheitsbehörden ausreichend Rückendeckung zu geben.
Am Dienstag waren bei Bombenanschlägen am Brüsseler Flughafen und in der U-Bahn-Station Maelbeek mindestens 31 Menschen getötet und rund 300 verletzt worden. Die Terrormilizi IS hatte sich zu den Anschlägen bekannt.

Identifizierung der Opfer dauert länger

Warum gibt es bislang so wenig Details zu den 31 Brüsseler Terroropfern? Die Identifizierung ist aufwendig und braucht Zeit. Eine zweifelsfreie Klärung der Identität erfolgt meist über Finger- und Handflächenabdrücke, eine DNA-Analyse oder einen Vergleich von Zahnschemata. Der Abgleich von Personenbeschreibungen, medizinischen Befunden oder am Körper getragenem Schmuck gilt nur als unterstützende Methode.

Lange dauert die Identifizierung oft dann, wenn Opfer durch Verbrennungen und Explosionsverletzungen entstellt sind. "Durch die Folgen einer Katastrophe können die Toten so stark verändert sein, dass eine visuelle Identifizierung nicht mehr möglich ist", schreibt das Bundeskriminalamt in einem Informationsblatt für Hinterbliebene.
Erschwerend kommt im Fall der Brüsseler Anschläge hinzu, dass die 31 Toten und rund 300 Verletzten vermutlich aus mehr als 40 Nationen stammen. DNA und andere Vergleichsspuren müssen deswegen oft über Ländergrenzen hinweg ausgetauscht werden. Zudem gibt es auch keine Passagierliste wie beispielsweise beim Germanwings-Flug.

Abhängig von der Anzahl der Opfer könne es Tage bis Wochen dauern, bis alle Toten eindeutig identifiziert sind, erklärt das BKA. Nichtsdestotrotz haben natürlich bereits im Vorfeld viele Menschen die Nachricht erhalten, dass einer ihrer Angehörigen vermutlich unter den Opfern ist.

Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass auch Österreicher von den Anschlägen betroffen wären, wie der Sprecher des Außenministeriums, Thomas Schnöll, am Freitagvormittag der APA sagte.

John Kerry in Brüssel: "Ik ben Brussel"

US-Außenminister John Kerry hat den Belgiern bei einem Besuch in Brüssel am Freitag die Unterstützung seiner Regierung zugesichert. "Je suis Bruxellois" und "Ik ben Brussel", sagte Kerry in den belgischen Landessprachen französisch und flämisch nach einem Treffen mit Premierminister Charles Michel.

Er sei in die belgische Hauptstadt gereist, um "unser tief empfundenes Mitleid" zu übermitteln, erklärte Kerry. Die Anschläge mit 31 Toten in Brüssel verdeutlichten die Notwendigkeit, „den gewaltsamen Extremismus“ zu bekämpfen und die Jihadistenmiliz Islamischer Staat zu besiegen.

Bei den Attentaten am Dienstag wurden nach Angaben Kerrys auch US-Bürger getötet. US-Regierungsvertreter sprachen von mindestens zwei Todesopfern. Kerry traf in Brüssel auch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zusammen. Zudem war eine Begegnung mit dem belgischen König Philippe geplant.

Explosionen und Schüsse bei Razzia in Brüssel
US Secretary of State John Kerry steps from his plane after landing at Brussels Airport on March 25, 2016, after traveling from Moscow. US Secretary of State John Kerry landed in Brussels today to offer Washington's support and issue condolences after attacks claimed by Islamic State left 31 dead and 300 wounded. / AFP PHOTO / POOL / Andrew Harnik

Brüsseler Philharmoniker spielen in der Innenstadt

Der Platz der Börse in Brüssel ist zum zentralen Gedenkort der Terroranschläge geworden: Die Philharmoniker der Stadt wollen dort am Freitagnachmittag gemeinsam mit dem Flämischen Radiochor auftreten. Das Orchester werde "Freude, schöner Götterfunken" aus der 9. Symphonie von Beethoven spielen, teilte die Philharmonie mit.

Diese sei "nicht nur die Europäische Hymne, sondern auch ein Ruf nach Frieden, eine Hymne der Hoffnung für die Zukunft", hieß es. Bei Terroranschlägen im Flughafen und in der U-Bahn waren am Dienstag in der belgischen Hauptstadt mindestens 31 Menschen getötet und etwa 300 verletzt worden. Am Platz der Börse kommen seit Dienstag Hunderte Menschen zusammen, um der Opfer zu gedenken.

AUA fliegt ab Dienstag nach Lüttich

Weil der von einem Terroranschlag verwüstete Flughafen von Brüssel noch immer nicht voll betriebsfähig ist, nimmt nach Ostern auch die österreichische AUA (Austrian) den Flugbetrieb von Wien nach Belgien über den Ausweichflughafen Lüttich (Liege) auf.

Die belgische Brussels Air fliegt schon seit gestern einen stark reduzierten Flugplan über Lüttich, auch nach Wien.

Die AUA gab am Freitag bekannt, zwischen Dienstag (29. März) und dem 4. April den Ersatzflughafen Lüttich, knapp 100 Kilometer von Brüssel entfernt, anzufliegen. Mit der Bahn sei der Regionalflughafen von Brüssel aus in einer Stunde erreichbar. Passagieren steht aber auch ein Gratis-Shuttlebus von Brussels Airlines zwischen Brüssel und Lüttich zur Verfügung. Die teilte die AUA am Freitag der APA mit.

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