Berlin-Anschlag: Verdächtiger Tunesier kommt frei

Berlin-Anschlag: Verdächtiger Tunesier kommt frei
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe teilte am Donnerstag mit, sie habe keinen Haftbefehl gegen den 40-Jährigen beantragt.

Nach der Festnahme eines Verdächtigen im Fall des mutmaßlichen Berlin-Attentäters Anis Amri ist der 40-jährige Tunesier wieder auf freiem Fuß. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass es sich "nicht um die mögliche Kontaktperson von Anis Amri handelt", sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft am Donnerstag in Karlsruhe. Es sei daher kein Antrag auf Haftbefehl gestellt worden.

Unterdessen schätzten die Ermittler das von der Dschihadistenmiliz " Islamischer Staat" (IS) veröffentlichte Bekennervideo als echt ein. "Das Bekennervideo ist unseren Ermittlungen zufolge authentisch", sagte die Sprecherin weiter. Es zeige nach Einschätzung der Ermittler den terrorverdächtigen Amri (mehr dazu hier).

Informationen über Anis Amri

Zuvor wurde auch schon bekannt, dass Amri am Abend der Tat aus dem Führerhaus des Lkw, mit dem er später zwölf Menschen töten und Dutzende verletzen wird, mit einem Glaubensbruder gechattet haben soll. Der Tunesier schrieb Informationen der Süddeutschen Zeitung, des NDR und WDR aus Ermittlerkreisen zufolge unter anderem die Nachricht: "Mein Bruder, alles in Ordnung, so Gott will. Ich bin jetzt im Auto, bete für mich mein Bruder, bete für mich." Dann schickte er noch ein Selfie von sich aus dem Lkw. Erst gegen 20 Uhr nimmt er endgültig Kurs auf sein Ziel und rast in den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheideplatz (mehr dazu hier).

Die Nachrichten des mutmaßlichen Attentäters sollen an Gesinnungsgenossen aus Berlin und dem Ruhrgebiet gegangen sein. Unter den Empfängern soll demnach auch der 40-jähriger Tunesier gewesen sein, der am Mittwoch in Berlin festgenommen wurde, berichtet die Welt. "Die weiteren Ermittlungen deuten darauf hin, dass er in den Anschlag eingebunden gewesen sein könnte", hatte die Bundesanwaltschaft nach dessen Festnahme erklärt. Auch die Wohn- und Geschäftsräume des Tunesiers, die in Berlin-Tempelhof liegen sollen, wurden durchsucht.

Ermittlungen wegen Betrug

Bekannt ist, dass Amri mehrere Identitäten benutzt haben soll. Nach Informationen des deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel wurde aber bereits im April 2016 ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eröffnet. Der Grund: Der Tunesier soll für einen kurzen Zeitraum im November 2015 mehrfach Sozialleistungen bezogen haben.

Tatsächlich wurde Amri bereits 2015 bei der Berliner Staatsanwaltschaft aktenkundig. Als "Ahmad Zaghoul" soll er auf dem Gelände des Berliner Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) einem Wachmann mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Das Verfahren wurde eingestellt, weil "Zaghoul" nicht auffindbar war.

Informationen geheim gehalten

Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) soll Anis Amri später absichtlich unter einem falschen Namen geführt haben, um ihn trotz laufender Ermittlungen in Sicherheit zu wiegen. Ein Vertreter der Behörde sei im März bei einer Besprechung im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) dabei gewesen, wo es um den Fall Amri ging, heißt es im Spiegel-Bericht. Auf Bitten der Sicherheitsbehörden soll das Bamf Amri in dem Glauben gelassen haben, es kenne seinen richtigen Namen nicht. Die Ausländerbehörde in Kleve habe daraufhin eine Duldungsbescheinigung ausgestellt - auf Ahmed Almasri.

Fluchtweg über die Niederlande nach Frankreich

Weitere Ermittlungen zu Amris Fluchtweg nach dem Attentat hätten ergeben, "dass er über die Niederlande nach Frankreich und Italien gereist ist". Dies belegten ein Zugticket und eine Simkarte. Sowohl auf den polnischen Lastwagenfahrer in Berlin als auch auf die Polizisten in Mailand sei aus einer Waffe mit Kaliber 22 geschossen worden. Ob es dieselbe Waffe gewesen sei, werde nun ballistisch untersucht.

Amri soll beim Anschlag mit einem Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche am 19. Dezember zwölf Menschen getötet haben, darunter den polnischen Fahrer des gekaperten Sattelschleppers. Etwa 50 weitere Menschen wurden bei dem Attentat verletzt, viele von ihnen schwer.

Kommentare