Terror, Brandschatzung, Todesstrafe: Was ist los in Israel?
Während seit Jahresbeginn Dutzende Menschen durch palästinensische Terroranschläge starben, brandschatzten jüdische Siedler eine Kleinstadt. Indes befindet sich Israel in einer Verfassungs- und womöglich bald einer Regierungskrise.
Ein palästinensischer Terrorist erschießt zwei Juden, radikale jüdische Siedler greifen daraufhin dessen Heimatstadt an, verletzen laut Medienberichten mindestens 100 Menschen, stecken 30 Häuser in Brand, zünden Autos an der israelisch-palästinensische Konflikt eskaliert massiv, die Brutalität nimmt rasant zu. Befeuert wird er vom israelischen Finanzminister Bezalel Smotrich, Vorsitzender der rechtsradikalen Partei „Religiöser Zionismus“, der forderte, ebenjene Stadt mit dem Namen Huwara dem Erdboden gleichzumachen: „Ich denke, Huwara muss ausradiert werden. Der Staat Israel muss dies tun.“ Die Lage im Land ist ernst: 13 Israelis und eine Ukrainerin wurden seit Jahresbeginn durch palästinensische Anschläge ermordet, im gleichen Zeitraum starben 63 Palästinenser – entweder während ihrer Terroranschläge oder durch Projektile der israelischen Streitkräfte.
Was hat es mit der geplanten Todesstrafe auf sich?
Vor dem Hintergrund dieser Eskalation nahm am Mittwoch ein umstrittenes Gesetz zur Einführung der Todesstrafe für Terroristen eine erste Hürde: 55 von 120 Abgeordneten im Parlament stimmten für den Entwurf, neun dagegen. Es sind noch drei weitere Lesungen notwendig, bevor das Gesetz in Kraft treten kann.
Eingebracht hatte den kontroversen Gesetzesentwurf die Abgeordnete Limor Son Bar-Melech von der rechtsextremen Koalitionspartei Ozma Jehudit. Ihr Mann war 2003 bei einem palästinensischen Anschlag getötet worden, sie selbst – damals hochschwanger – erlitt damals schwere Verletzungen. Laut dem Entwurf soll mit dem Tode bestraft werden, „wer absichtlich oder aus Gleichgültigkeit den Tod eines israelischen Bürgers verursacht, wenn die Tat aus einer rassistischen Motivation erfolgt oder aus Feindseligkeit gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe“ – mit dem Ziel, „dem Staat Israel zu schaden oder der Wiedergeburt des jüdischen Volkes in seinem Heimatland“.
Das Vorhaben der rechten Koalition der rechtesten Koalition, die Israel je hatte, stößt auf harsche Kritik im In- sowie Ausland: Es sei rechtswidrig, außerdem sei die Todesstrafe als Abschreckung nicht wirksam, sagte etwa die israelische Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara. „Es gibt Bedenken hinsichtlich der Strafe, die nicht rückgängig zu machen ist.“
Und was mit der geplanten Justizreform?
Indes protestieren seit Wochen Hunderttausende Israels gegen eine geplante Justizreform der Regierung: Ihr Ziel ist es, dem Parlament zu ermöglichen, mit einer einfachen Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Damit würde dessen Befugnis zur rechtlichen Überprüfung von Gesetzen fast vollständig abgeschafft werden.
Zudem sollen Politiker bei der Ernennung von Richtern mehr Einfluss erhalten. Laut der Regierung solle mit der Reform ein Justizsystem überarbeitet werden, das den Gerichten und Rechtsberatern der Regierung zu viel Mitspracherecht bei der Gesetzgebung verschaffe. Auch dieses Vorhaben stößt auf massive Kritik von vielen Seiten – von rechten Parteienvertretern wie Avigdor Lieberman bis hin zu linken Oppositionellen. Doch auch die Rolle des Höchstgerichts und dessen Kompetenzen ist immer wieder Gegenstand heftiger Diskussionen – Israel verfügt über keine Verfassung, lediglich über Grundgesetze. Dem Land droht eine Verfassungs-, der Koalition eine Regierungskrise.
Warum traten zwei Minister zurück?
Alle fünf Partnerparteien sind klerikaler, rassistischer und annexionistischer als Premier Benjamin Netanjahus Likud. Diesem wurde es von der Generalstaatsanwaltschaft untersagt, sich zur Justizreform zu Wort zu melden. “Ich darf darf dazu ja nichts sagen“, twitterte er und fuhr fort: “Wer bin ich denn, doch nur der israelische Ministerpräsident“.
In der Koalition tun sich Bruchlinien auf – in dieser Woche traten zwei Minister zurück, unter anderem Meir Porush von der orthodoxen Partei „Vereinigtes Thora-Judentum“: Er ist in seiner Funktion als Minister für Jerusalemer Angelegenheiten und jüdische Tradition auch für die Leitung der jährlichen Wallfahrt auf den Berg Meron zuständig – fühlte sich dafür aber nicht ausreichend mit Autorität ausgestattet. Avi Maoz, Vorsitzender der rechtsextremen Noam-Partei, trat zurück, weil er sich als Stellvertretender Minister für Jüdische Identität „ohne wirkliche Befugnisse“ ausgestattet fühlte.
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