US-Botschaft fordert Bürger auf, Afghanistan "unverzüglich zu verlassen"

US-Botschaft fordert Bürger auf, Afghanistan "unverzüglich zu verlassen"
Vormarsch der Taliban: Zweite Provinzhauptstadt in Afghanistan in 24 Stunden erobert.

Die militant-islamistischen Taliban haben eine zweite Provinzhauptstadt in Afghanistan erobert. Am Samstag fiel auch Sheberghan in der Provinz Jowzjan im Norden des Landes. Weniger als 24 Stunden zuvor war die kleine Provinzhauptstadt Zaranj in Nimroz an der iranischen Grenze praktisch kampflos an die Taliban gefallen. 

"Security Alert" der US-Botschaft

Damit geht der Vormarsch der Taliban weiter. Am Freitag meldeten die Taliban selbst, den "Chefsprecher" der afghanischen Regierung ermordet zu haben. Zudem belagern die Islamisten noch mehrere weitere der 34 Provinzhauptstädte. Aufgrund der aktuellen Lage im Land hat die US-Botschaft in Kabul am Samstag deshalb einen "Sicherheitsalarm" veröffentlicht. US-Bürger werden aufgefordert, das Land schnellstmöglich zu verlassen. 

Die Nachricht platzt in die neue Debatte um Abschiebungen nach Afghanistan in Österreich. Die hiesige afghanische Botschafterin, Manizha Bakhtari, hatte am Freitag gefordert, Abschiebungen in ihr Land weiter auszusetzen. "Es geht um das Überleben dieser Menschen. Wenn sie zurückkommen, würden wir ihr Leben aufs Spiel setzen. Es herrscht Krieg", sagte Bakhtari.

Das Außenministerium reagierte "überrascht" über die Aussagen Bakhtaris, "nachdem es erst vergangene Woche anderslautende Signale gegeben hatte", teilte das Außenamt am Freitag mit, die Botschafterin wurde sogar ins österreichische Außenministerium gebeten. Zusammen mit Vertretern des Innenministeriums sollte der Diplomatin abermals "Österreichs Standpunkt klar dargelegt" werden.

Und der ist klar: "Nach Afghanistan wird weiterhin abgeschoben", sagte auch Bundeskanzler Sebastian Kurz am Freitag

Auf Initiative von Innenminister Karl Nehammer haben Deutschland, Dänemark, Belgien, Griechenland und die Niederlande in einem Brief an die EU-Kommission gefordert: Rückführungen nach Afghanistan müssen weiterhin möglich sein. „Das ist das richtige Signal für irreguläre Migranten: Macht Euch gar nicht auf den Weg nach Europa“, sagte Nehammer.

Am 18. August wollen sich die EU-Innenminister nun zu einem Sondertreffen mit dem Thema Afghanistan zusammenfinden. Mehr dazu lesen Sie hier: 

Regierungsgebäude unter Kontrolle der Taliban

Zurück zur aktuellen Situation in Afghanistan: Das nunmehr eroberte Sheberghan liegt rund 130 Kilometer von Mazar-i-Sharif entfernt an einer wichtigen Ost-West-Verbindung in Nordafghanistan. Die Stadt mit geschätzt 130.000 Einwohnern gilt als wichtiges Tor zu den nördlichen und nordöstlichen Regionen des Landes. Sie ist seit langem der Machtsitz des umstrittenen ehemaligen Kriegsfürsten und Ex-Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum.

Als Teil der sogenannten Nordallianz bekämpften seine Milizen im Bürgerkrieg der 1990er-Jahre die Taliban. Auch in den aktuellen Gefechten um die Stadt waren seine Milizen unter Führung seines Sohnes im Einsatz.

Den Behördenvertretern und einem Parlamentarier zufolge haben die Islamisten die wichtigsten Regierungsgebäude unter ihrer Kontrolle - das Polizeihauptquartier, das Gefängnis und den Gouverneurssitz. Sicherheits- und Pro-Regierungs-Kräfte haben demnach auch den Sitz des Geheimdienstes und das Haus des ehemaligen Kriegsfürsten Dostum verlassen und sind lediglich noch im Gebiet rund um den Flughafen und in einer Militärbasis.

Taliban gewinnen an Boden

Seit dem Beginn des Abzugs der US- und NATO-Truppen Anfang Mai haben die Taliban massive Gebietsgewinne im ländlichen Raum verzeichnet. Sie eroberten zudem mehrere Grenzübergänge. Die US-Militärmission in Afghanistan endet am 31. August. Der Abzug ist US-Angaben zufolge zu mehr als 95 Prozent abgeschlossen.

Kommentare