Chemiewaffen als Ziel
In 24 Stunden mit weit über dreihundert Luftangriffen waren Militärflughäfen mit Kampfflugzeugen, Hubschraubern und modernen Luftabwehrsystemen zerstört. Luftangriffe aus Syrien sind demnach in den nächsten Jahren nicht mehr zu erwarten, Luftangriffe gegen Syrien müssen kaum noch mit Abwehr rechnen.
Zerstört wurden auch riesige Waffenlager mit schwersten Langstrecken-Raketen. Vor allem aber standen die gefürchteten Giftgas- und Chemiewaffen Syriens auf der Zielliste der israelischen Piloten. Mit ihnen wurde auch das berüchtigte Forschungszentrum bei Barsan dem Erdboden gleichgemacht. Am Dienstag dann wurde Assads Flotte nach heftigen Marine-Angriffen seeuntauglich gebombt.
Mit dem Vorrücken der Bodentruppen wurde neben der Zerstörung der militärischen Schlagkraft ein zweites strategisches Ziel Israels erreicht: Die Einnahme strategisch wichtiger Punkte längs der seit 1974 entmilitarisierten Demarkationslinie. Vor allem gehört dazu auch der bis in den Sommer schneebedeckte Hermon, Syriens höchster Berg. Bis 1967 beschoss die syrische Armee von hier aus fast täglich Israel.
Stellungen gebaut
Israels Armeesprecher erklärt den Vorstoß als „temporäre Maßnahme bis sich die chaotische Lage in Syrien geklärt hat“. Was wohl nicht als „kurz“ zu verstehen ist. Luftaufnahmen zeigen den Beginn des Baus von festen Stellungen der israelischen Armee. Den 1967 im Sechs-Tage-Krieg eroberten Teil der Golan-Höhen hat Israel 1981 annektiert. Was die USA unter Präsident Donald Trump 2019 anerkannten. Selbst wenn sich Israels Armee irgendwann zurückziehen sollte – die Präsenz feindlicher Kräfte wird Israel an diesen Berghängen nicht mehr dulden.
Darum verfolgt Israel langfristig ein drittes Ziel: Den nachbarschaftlichen Kontakt mit den neuen Kräften in Syrien. Russland wie auch der Iran, Assads frühere Helfer, denken bereits um. Deren Versuche, sich jetzt auch mit den zuvor bekämpften Rebellen gut zu stellen, sind im Gange. Bei den islamistischen Kräften unter den Rebellen könnte das ankommen.
Israel rief daher bereits zum „Schutz der Minderheiten in Syrien“ auf. Sie müssen ein islamistisches Regime anstelle der alten Assad-Herrschaft am meisten fürchten. Ist die Siegesfreude erst einmal vorüber, können die alten Feindschaften unter den eigentlich verfeindeten Milizen wieder aufbrechen. In einem dann weiter vom Krieg zerrissenen Syrien muss jede ethnische und religiöse Gruppe für ihren Schutz selbst sorgen.
Die Drusen im Süden Syriens direkt vor dem Stacheldraht zu Israel sollten keine Probleme haben, mit Israel zusammenzuarbeiten. Die israelischen Drusen kämpfen schon seit 1948 in der israelischen Armee. Die auf dem annektierten Golan-Höhen lebenden Drusen richten sich ebenfalls schon lange nach Israel aus. Und sind Drusen bedroht - in welchen Staat auch immer - helfen sie sich einander.
Auch mit den weit im Osten lebenden Kurden pflegte Israel bereits heimliche Kontakte. Bis hin zu militärischer Hilfe. Die Kurden haben sich in diesem Krieg eine stabile Einflusszone geschaffen. Die jetzt von der Türkei, aus dem Irak und dem Iran bedroht ist. Weitere Zusammenarbeit mit Israel wäre da eigentlich eine zwingende Folge. Bedroht durch die Islamisten sind aber auch Christen, Jesiden und die schiitischen Alawiten. Auch sie suchen Hilfe. Und Israel liegt eben am nächsten.
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