Superreicher mit indischen Wurzeln wird Premier: Warum Rishi Sunak so polarisiert
Jetzt hat es der Shootingstar Rishi Sunak, 42, doch geschafft. Der Sohn indischer Einwanderer ist neuer Chef der konservativen Tory-Partei und steht als britischer Premier und erster Angehöriger einer ethnischen Minderheit im Amt fest. Schon am Dienstagvormittag wird er von König Charles im Buckingham-Palast empfangen, dann zieht er in Downing Street Nr 10 ein.
Zeit zum Feiern wird dem Ex-Goldman-Sachs-Mann aus Southampton, der Anfang September noch Liz Truss in der Stichwahl unter Tory-Mitgliedern unterlegen war, kaum bleiben. Denn mit Rekordinflation, Rezessionssorgen und einer Partei im Umfragetief warten Herkules-Aufgaben auf den Mann aus England.
Die Symbolik, dass er gerade am Montag, dem hinduistischen Lichterfest Diwali, als einziger Kandidat die Hürde von 100 Stimmen in der eigenen Fraktion nahm, entging vielen nicht. Denn Diwali zelebriert den Sieg von Licht über Schatten, Wahrheit über Lüge, Leben über Tod.
Sunak warnte vor Truss' Steuerpolitik
Erst am Sonntag hatte Sunaks Ex-Chef Boris Johnson, den die Wähler laut Umfragen vor allem als „Lügner“ sehen, seine Kandidatur abgeblasen – der Triumph der Wahrheit über die Lüge, könnte man meinen. Um Leben und Tod geht es bei den Tories spätestens, seit Johnson nach diversen Skandalen zurücktreten musste und wenig später Liz Truss übernahm – es folgten Chaos-Wochen. Jetzt ist Sunak an der Reihe.
Er gilt als detailorientierter, technokratischer Pragmatiker mit Finanzdisziplin. So hatte er in der Corona-Pandemie Landsleuten zeitweise finanziell unter die Arme gegriffen. Truss monierte damals, dass ihr Parteikollege da die höchste Steuerlast seit 70 Jahren zu verantworten gehabt habe. Aber: Nun kommt Sunak zugute, dass er vor der radikalen Steuerpolitik der Kurzzeit-Premierministerin gewarnt hatte, die Tumulte auf den Finanzmärkten ausgelöst hat.
Jetzt inszeniert er sich als Troubleshooter, der mit „Integrität und Professionalität“ regieren wolle. „Großbritannien ist ein großartiges Land, ist aber in einer ernsthaften ökonomischen Krise. Ich will unsere Wirtschaft reparieren, unsere Partei vereinen und für unser Land liefern.“
"Sonnyboy" mit indischen Wurzeln
Kevin S., der nahe London lebt, ist optimistisch. „Mit Kurzarbeit und anderem hat er vielen während Covid geholfen“, sagt er dem KURIER. „Er scheint zu wissen, was er tut.“ Die oppositionelle Labour, die Neuwahlen urgiert, kritisiert aber, dass Sunak bisher kaum Details genannt hat, „wie er regieren will.“
Der Sonnyboy mit indischen Wurzeln, Vater von zwei Töchtern, skizzierte heuer seinen Traum eines Landes, „wo alle die gleichen Chancen haben, ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen“. Sein Vater arbeitete als Arzt, die Mutter als Apothekerin. Sunak ermöglichten sie den Besuch einer Elite-Privatschule. Dann studierte er in Oxford, gefolgt vom MBA an der US-Uni Stanford.
Kritiker attackieren ihn oft als „aalglatt“ oder gar „Schlange“. Denn Sunak bewarb sich als Finanzminister seit 2020 auch selbst (manche ätzten von der „Marke Rishi“) und trug mit seinem Rücktritt im Sommer zu Boris Johnsons Fall bei.
Wegen seines Reichtums abgehoben?
Die andere Achillesferse: sein Vermögen und Lebenslauf, die ihm den Vorwurf mangelnder Bodenhaftung einbringen. Mit geschätzten 730 Millionen Pfund (840 Mio. Euro) landeten er und Gattin Akshata Murty, Tochter eines Gründers des IT-Riesen Infosys, heuer auf Platz 222 der Sunday Times „Rich List“. Wenig half, dass sie dank eines umstrittenen Status Steuern in Millionenhöhe sparte.
2015 gewann Sunak erstmals seinen Unterhaus-Sitz in Richmond, Yorkshire, wo er sich im VW Golf und beim Kühemelken zeigte. Aber beim Versuch, Volksnähe zu demonstrieren, schießt er auch öfters ein Eigentor. Im August betonte er etwa seine Leidenschaft für den vom österreichischen Trainer Ralph Hasenhüttl trainierten Fußballklub Southampton FC, konnte dann aber nicht dessen nächsten Gegner richtig benennen.
Ob inflationsgeplagte Briten sich mit ihm identifizieren konnten, als er sich mit einem 207 Euro teuren Kaffeebecher mit Bluetooth und einstellbarer Trinktemperatur ablichten ließ, ist ebenfalls fraglich.
Doch nach mühsamen Tory-Machtkämpfen erwarten viele von ihm einen Fokus auf harte Arbeit. „Sunak ist pragmatischer“, sagt Professor Pete Dorey, Politologe an der Universität Cardiff, dem KURIER. „Er ist auch charismatischer als Truss und wird populärer sein.“
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