Von Franziska Trautmann
„Das Versprechen in der Regierungserklärung zur Wiederherstellung der Autonomie muss eingehalten werden, und die dafür erforderlichen Schritte müssen zeitgerecht erfolgen“, fordert Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher. Vergangene Woche trafen er und Trients Landeshauptmann Maurizio Fugatti mit Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zusammen, um den Entwurf für ein Verfassungsgesetz über die Reform der Autonomie der italienischen Regionen mit Sonderstatut zu besprechen.
Sie einigten sich darauf, den Entwurf bis November fertigzustellen. Noch heuer soll er von der Regierung ins Parlament gebracht werden. Vor allem Südtirol will durch die Autonomie-Reform verloren gegangene Kompetenzen zurückerlangen.
Meloni selbst hatte in ihrer Regierungserklärung vor zwei Jahren den Ball ins Rollen gebracht. Sie pochte auf die „Wiederherstellung der Standards, die 1992 zur Streitbeendigungserklärung vor den Vereinten Nationen geführt haben“.
Fünf Regionen mit Sonderstatut
Gemeinsam mit den vier anderen italienischen Regionen mit Sonderstatut (Sizilien, Sardinien, Friaul-Julisch Venetien, Aostatal) haben Südtirol und Trient zunächst einen Entwurf für die Reform aller fünfe Sonderstatute erarbeitet. Besonders Südtirol liegt das neue Autonomie-Abkommen am Herzen.
Kompatscher fungiert derzeit als Koordinator der Regionen. Er ist einer der treibenden Kräfte hinter der Reform der Autonomiestatute.
Warum sind Reformen nötig?
Vor mehr als 50 Jahren erhielt Südtirol (und mit ihm auch das Trentino) mit dem so genannten Zweiten Autonomiestatut eine umfangreiche Autonomie. Die Autonomie war bereits 1946 im zwischen Österreich und Italien abgeschlossenen Gruber-Degasperi-Abkommen vorgesehen. Damit sollte die deutschsprachige (und später auch die ladinischsprachige) Minderheit in Südtirol geschützt werden. Zwanzig Jahre später folgte die Streitbeilegungserklärung.
Als 2001 die italienische Verfassung reformiert wurde, verschaffte dies dem Verfassungsgerichtshof in Rom größeren Interpretationsspielraum, was wiederum die autonome Gesetzgebung und Verwaltung Bozens und Trients einschränkte. Rund eine Million Menschen leben in der Region, die deutsche, ladinische und italienische Sprache sind gleichberechtigt.
Mit der Reform erhofft sich Südtirol verloren gegangene Kompetenzen im Bereich der Landesgesetzgebung und Selbstverwaltung zurückzuerlangen.
Ein neuer Punkt ist dabei der Schutz der Umwelt und des Ökosystems. Mit der Verfassungsreform von 2001 fiel der Gesetzgebungsbereich in die ausschließliche Kompetenz des Staates. Sowohl Südtirol als auch das Trentino fordern nun, diesen Bereich in ihre eigene Gesetzgebungsbefugnis einzufügen.
Verhandlungen mit Rom
Bereits im März hat Kompatscher im Südtiroler Landtag den Verfassungsgesetzentwurf vorgestellt. Ursprünglich hätten die Verhandlungen bis Juni unter Dach und Fach sein sollen. Doch Rom verlangte Änderungen: Das Sonderstatut soll für jede einzelne jede Region eigens verhandelt werden. Wegen dieser Verzögerung wird nun November angepeilt. Bis dahin soll der Gesetzesentwurf fertiggestellt sein und dem Ministerrat in Rom zur Genehmigung vorgelegt werden.
Esther Happacher, italienische Juristin und Professorin an der Universität Innsbruck für italienisches Recht, führt gegenüber dem KURIER aus: „Man hat daran sehr lange und sehr ausführlich gefeilt und anscheinend noch nicht alle Fragen zur Zufriedenheit zwischen Regierung und Autonomie klären können.“ Zur Rolle Österreichs in dem Verfahren sagt sie: „Italien hat hier einen gewissen Standard an Autonomie zu erhalten und folglich bei einer Beeinträchtigung wiederherzustellen. Erst wenn es im Parlament ist, wird Österreich auch damit befassen werden müssen.“
Laut Happacher wäre die Reform Autonomie auch in der Bevölkerung deutlich spürbar: „Wenn die Kompetenzen Südtirols konsolidiert werden oder ausdrücklich wieder klar ist, dass Südtirol Landesgesetze in bestimmten Bereichen erlassen kann, ohne dass es eine Anfechtung in Rom durch die römische Regierung befürchten muss, dann ist es natürlich auch für den einzelnen Bürger wieder besser, weil wieder mehr Rechtssicherheit im Alltag herrschen würde.“
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