Dass der Strom in Johannesburg vorerst wieder fließt, dürfte so kurz vor den Wahlen kein Zufall sein. „Bemerkenswert“ sei das, meint Hanns Bühler, schenkt aber den Vorwürfen der südafrikanischen Opposition keinen Glauben, dass der ANC ausschließlich massenhaft teuren Diesel verbrenne, um die Energieversorgung bis zum Wahltag zu retten. Der Experte von der Hanns-Seidel-Stiftung in Johannesburg zählt zusätzlich andere Gründe auf:
Zum einen sei die private Stromversorgung mit Solaranlagen stark gestiegen – wer immer es sich leisten kann, stellt in Südafrika eine PV-Anlage aufs Dach und ausgefallene Kohlekraftwerke konnten nach Instandsetzung wieder ans Netz gehen. Zum anderen aber, sagt Bühler, „und das ist für das Land wirklich schlimm, stagniert die Wirtschaft in Südafrika, deswegen wird nicht mehr so viel Strom benötigt.“
Enttäuschte Bevölkerung
Der ANC, Afrikas älteste Befreiungsbewegung, hat das Land am Kap nach Jahrzehnten des Kampfes gegen die Apartheid in die Demokratie geführt, doch nach 30-jähriger Regierungszeit fällt die Bilanz bitter aus:
Viele Südafrikaner leiden an Energie- und Wasserknappheit; die Infrastruktur des Landes verfällt, die Arbeitslosigkeit liegt bei extrem hohen 41 Prozent, die Kluft zwischen arm und reich bleibt groß, die Kriminalität nimmt immer fatalere Ausmaße an. Bis zu 75 Menschen werden pro Tag ermordet. Laut Schätzungen der Weltbank kostet die Organisierte Kriminalität das Land fast ein Zehntel seines BIPs.
Die Enttäuschung darüber, dass die wirtschaftliche mit der demokratischen Entwicklung der Regenbogennation nicht mithalten konnte, ist überall zu spüren: Nur 27 der 40 Millionen Wahlberechtigten ließen sich für den Urnengang überhaupt registrieren. Der ANC unter seinem Präsidenten Cyril Ramaphosa steuert damit auf das schlechteste Ergebnis seiner Geschichte zu“, sagt Hanns Bühler. Eine Koalition auf nationaler Ebene wäre ein Novum. "Die Entwicklung hin zu einer lebendigen Mehrparteiendemokratie ist zu begrüßen ist, zugleich steigt aber das Risiko für politische Instabilität im Land", befürchtet der Südafrika-Experte. Denn „auf kommunaler Ebene haben sich viele Koalitionen als dysfunktional erwiesen“.
Das Ende der "Ramaphoria"
Mit seinem Image als Korruptionsbekämpfer und Wirtschaftsreformer hatte ANC-Urgestein Ramaphosa die Wahlen 2019 noch einem mit absoluter Mehrheit gerettet. . „In seiner Amtszeit wurden in der Generalstaatsanwaltschaft und der Steuerbehörde professionelle Führungskräfte installiert und Gesetzesvorhaben zur Privatisierung des Energiesektor und Stärkung der Staatsanwaltschaft auf den Weg gebracht“, so Bühler. Doch von der „Ramaphoria“ ist nichts mehr übrig. Gelitten hat sein Bild, nicht nur, weil bei einem Überfall auf seinem Haus fast 600.000 Dollar in bar gestohlen wurden.
Vor allem gelang es nicht schnell genug, die verheerenden Schäden zu mildern, die sein Vorgänger Jacob Zuma hinterlassen hatte. Der mittlerweile 82-jährige Zuma darf nach einer Haftstrafe zwar nicht mehr selbst kandidieren. Doch zusammen mit seinen Kindern und Anhängern kämpft er mit seiner neu gegründeten Partei „Speer der Nation“ (MK) gegen den ANC. Zuma, unter dessen neunjähriger Regierungszeit Freunde, Familie und Anhänger den Staat geradezu ausgeplündert hatten, könnte bei den Wahlen am Mittwoch ein game-changer werden.
Umfragen prognostizieren der nationalistischen, anti-demokratisch agierenden MK den dritten Platz – hinter der markt-liberalen Democratic Alliance (DA): Die regiert in Kapstadt und in der Region Western Cape, liegt derzeit zwischen 20 und 26 Prozent der Wählergunst, leidet aber landesweit unter einem Manko, sagt Hanns Bühler: „Die DA gilt vielen Wählern nach wie vor als weiße Klientelpartei.“
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