Libyen: Europäer warten ab, die Russen sind schon dort
Mohamed El Geblawi warnt vor den Russen. „Wir haben sichere Informationen, dass Söldner aus Russland an der Seite Khalifa Haftars kämpfen“, sagt der Sprecher der libyschen Einheitsregierung bei einem Besuch in Wien.
Khalifa Haftar, das ist jener General, der sich vorgenommen hat, Libyen einzunehmen. Und der, weil er große Teile der Armee hinter sich weiß, bereits einen großen Teil des Landes eingenommen hat.
Die Söldner aus Russland sollen an dessen Seite gegen die international anerkannte Einheitsregierung kämpfen. Derzeit stehen die Truppen Haftars vor der Hauptstadt Tripolis, die von der Einheitsregierung gehalten wird. Sie kämpfen sich – gegen die mit der Regierung verbündeten Milizen – langsam in Richtung Stadt.
Die Regierung verfügt über keine Armee, ist in Tripolis auf verbündete Milizen angewiesen. Mittlerweile sollen 250 bis 350 Islamisten an deren Seite kämpfen. Darunter auch libysche Krieger aus Syrien, die der El-Kaida nahen Terrorgruppe Al-Nusra angehören.
Im Februar 2011 gingen die Libyer – zunächst zögerlich – auf die Straßen, um gegen Langzeitherrscher Muammar Gaddafi zu demonstrieren. Ermutigt durch die Umstürze in Tunesien und Ägypten. Doch der Kampf gegen das Regime erwies sich als weit blutiger und komplizierter als bei den Vorgängern. Nachdem Milizen den in die Enge getriebenen Gaddafi gefunden und getötet hatten, fiel das Land endgültig ins Chaos und in einen erbitterten Bürgerkrieg, der deutlich macht, was Libyenkenner bereits davor befürchtet haben: Das Land, das sind eigentlich drei Länder. Cyrenaika im Osten, Tripolitania im Westen und Fezzan im Süden, alle stark geprägt durch ihre Stammesstrukturen.
Seit 2015 versuchte die internationale Gemeinschaft, die Konflikte in Libyen – die durch die Machtansprüche dutzender Milizen beinahe unüberschaubar wurden – durch ein politisches Abkommen zu lösen. Ohne Erfolg.
Die international anerkannte Regierung ringt innerhalb Libyens vergeblich um Anerkennung, während der frühere General und Gaddafi-Gegenspieler mit CIA-Vergangenheit, Khalifa Haftar, von Osten aus versucht, die Kontrolle über ganz Libyen zu gewinnen. Er hat zwar viele Libyer hinter sich, ringt aber wiederum außerhalb des Landes um Anerkennung.
„Signal an die USA“
Dass El Geblawi die Russen erwähnt, sei kein Zufall, sagt Sicherheitsexperte Wolfgang Pusztai, der sich intensiv mit der politischen und militärischen Situation in Libyen beschäftigt. Vielmehr sei das sein „Signal an die USA“, wo die Beteiligung von Russland so etwas wie eine rote Linie darstellt.
„Die Einheitsregierung klammert sich an jeden Strohhalm“, um die Unterstützung des Westens zu bekommen. Doch sie sei in keiner guten Position, sagt Pusztai.
Für El Geblawi, der in der libyschen Botschaft in Wien österreichische Journalisten empfängt, um ihnen die Sicht der Einheitsregierung darzulegen, ist ganz klar: „Mit Haftar werden wir nicht verhandeln.“ Für eine politische Lösung mit der Gegenseite sei die offizielle Regierung allerdings durchaus zu haben. Der General allerdings muss zunächst weg. Es besteht zudem ein Haftbefehl gegen Haftar.
Auch wenn beide Seiten auf der internationalen Bühne ihre Gesprächsbereitschaft demonstrieren, auf einen Grünen Zweig werden sie nur schwer kommen. Die Situation sei festgefahren, sagt Pusztai.
Libyen-Gipfel in Berlin
Das sei auch der Grund, warum ein von Deutschland initiierter Libyen-Gipfel in Berlin seit Wochen verschoben wird. Die Konferenz, die der Entschärfung des Libyen-Konflikts dienen soll, könnte nun Anfang 2020 stattfinden – oder weiter verschoben werden.
Seit 2015 versuchte die internationale Gemeinschaft, die Konflikte in Libyen – die durch die Machtansprüche Dutzender Milizen so gut wie unüberschaubar wurden – durch ein politisches Abkommen zu lösen. Ohne Erfolg.
Die PR-Offensive des Außenamtssprechers überrasche ihn nicht, sagt Pusztai. „Die Einheitsregierung spielt auf Zeit.“ Sie erhoffe sich, die Haftar-Armee doch noch zum Einstellen der Kämpfe zu bewegen, wenn sich die Europäer und Amerikaner hinter sie stellten.
Doch weder die EU-Staaten, noch die USA wollen sich mit ihren Empfehlungen auf eine der beiden Seiten schlagen. Zu schwierig ist es, sich auszurechnen, wer am Ende die Nase vorne haben wird.
Wer auch immer es sein wird – Haftar oder die Einheitsregierung – vor allem Europa wird sich mit der neuen starken Hand in Libyen arrangieren müssen. Aus wirtschaftlicher Sicht (Öl), wie auch wegen der vielen Migranten und Flüchtlinge, die durch Libyen nach Europa reisen.
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