In der Welt berichtet er, dass Rivale Armin Laschet die Devise ausgegeben hätte, um seine Performance zu verbessern. Derzeit führt Merz in Umfragen. Genau damit legitimierte er auch seine Ambitionen. Er sei der Kandidat, denn die Basis wolle.
Neben Wut und Bitterkeit hört man bei dem 64-Jährigen derzeit vor allem eines raus: Er sieht sich als Opfer. Es ist eine Erzählung, die ihn begleitet und von der er zehrt: Begonnen hat sie mit Angela Merkel, die ihn 2002 als Fraktionschef ausgebootet hat. Mit ihrem Rückzug 2018 sah er nach Jahren seine Chance gekommen und trat als Merkel-Antipode an. Als er dann knapp gegen Annegret Kramp-Karrenbauer verlor, begründeten seine Getreuen dies mit schlechtem Ton während der Rede. Zudem hätte der unterlegene Jens Spahn seine Fans dazu gebracht, für Kramp-Karrenbauer zu stimmen. So die Gerüchte.
Die CDU ist seit dieser Wahl nie zur Ruhe gekommen. Kramp-Karrenbauer passierten Fehler, sie wurde zwischen den Merz-Fans und Merkel-Anhängern zerrieben. Schließlich kündigte sie ihren Rückzug an. Und Merz war wieder zur Stelle. Zur Freude seiner Anhänger: Wirtschaftsaffin, konservativ und überhaupt ein Mann, der Klartext redet.
Merz' Offenbarung
Genau das macht ihn für andere in der CDU unwählbar: Nicht selten verstieg er sich in Debatten – vom Grundrecht auf Asyl, das er einschränken wollte oder jüngst einem Sager, wo er Homosexuelle und Pädophile in einem Atemzug nannte. Unvergessen auch sein Interview im ZDF vor nicht mal einem Jahr, da schimpfte er über eine „grottenschlechte“ Regierung. Dafür hat er sich zwar später entschuldigt, in der Pandemie lobte er gar Merkels Arbeit, doch die jüngste Reaktion war für seine Kritiker erneut eine Offenbarung: Er ist impulsiv, unbeherrscht und muss zurückrudern.
Ein zäher Machtkampf droht
Gut möglich, dass nun wieder eine Entschuldigung folgt und Merz aus dem Eck findet. Bleibt er aber wütend drinnen, stünde der CDU ein zäher Machtkampf mit Folgen bevor: Wer soll am Ende eine Partei wählen, die von einem möglichen Vorsitzenden als Ort der Verschwörer und der Hinterzimmerkungelei verkauft wird? Die Landesverbände, die er braucht, um für ihn zu stimmen, werden sich das gut überlegen.
Bei manchem wird diese Erzählung so oder so hängen bleiben, diesem Risiko wird man sich auch im CDU-Gremium bewusst gewesen sein, als es um die Verschiebung des Parteitages ging. Merz' Reaktion war erwartbar, so gut sollte man ihn kennen. Und bei aller Vorsicht wegen Corona lässt sich der Eindruck kaum verbergen, dass man doch etwas Zeit gewinnen wollte. Denn womit der Mann in seinen Tiraden nicht unrecht hat: Es bietet jetzt anderen die Gelegenheit, ins Rennen einzusteigen. Aus Sicht der Parteiführung ließe sich so vielleicht noch die Stimmung drehen: Keiner der Kandidaten sprühte vor Visionen oder Ideen. Und das, obwohl für die CDU eine Epoche endet – 18 Jahre führte Angela Merkel die Partei, 16 Jahre als Kanzlerin. Nun muss die Partei doch einiges dafür tun, dass sie dieses Amt auch in Zukunft für sich beanspruchen kann.
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