Statuenstürze: Wenn die Geschichte fällt
Oktober 1790. Von der Bastille sind nur noch 50 Zentimeter hohe Steinhaufen übrig. 15 Monate lang benötigten die französischen Revolutionäre, um das verhasste Symbol des „Ancien Régime“ abzureißen. Aus Schlössern, Ketten und Gefangenenkugeln ließen sie Erinnerungsmedaillen gießen – Erinnerungen an den errungenen Sieg.
Die Festung aber wurde mit ihrem Abriss einer „damnatio memoriae“ belegt. Einer Verdammung ihres Andenkens. Die derzeitigen Angriffe auf Denkmäler von Persönlichkeiten kolonialer Vergangenheit sind in der Menschheitsgeschichte bei Weitem nicht die ersten.
Seit jeher werden Statuen und Symbole früherer Machthaber aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht – zumindest wird es versucht. Im alten Ägypten wurden ganze Dynastien aus den Königslisten gestrichen, die Mumien der Pharaonen zerstört.
Im antiken Griechenland wurden jene, „die gemeinsame Sache mit Tyrannen und Oligarchen machten“, aus allen Schriften gelöscht oder gemeißelt. Manche Namen durften bei Todesstrafe nicht genannt werden.
Im alten Rom verfügte der Senat die Zerstörung zahlreicher Kaiserbüsten. Kaiser Commodus etwa wurde unter anderem von einem Relief entfernt, das ihn neben seinem Vater Marc Aurel im Streitwagen zeigt.
Stalin musste weichen
Im 19. und 20. Jahrhundert entstand in Europa ein regelrechter Denkmal-Boom – unter anderem wurden in Deutschland ab 1918 mehr Kolonialdenkmäler als während der deutschen Kolonialzeit errichtet.
Infolge der Entnazifizierung sowie der Entstalinisierung stürzten nicht nur Statuen und Symbole, auch Gemälde wurden umgezeichnet. In „Lenin proklamiert die Sowjetmacht“ war anfangs Stalin selbst im Gefolge zu sehen, 1957 musste ihn der Maler Wladimir Serow durch ein anderes Gesicht ersetzen.
Das Video der Hakenkreuz-Sprenung auf dem Gelände der ehemaligen NSDAP-Reichsparteitage ist in die Geschichte eingegangen.
Mit dem Fall der Sowjetunion fielen auch vielerorts die Lenin-Statuen. Ein großer Sieg für die USA, die 2003 dasselbe Exempel an Saddam Hussein statuieren wollten. Das irakische Volk sollte die Statue selbst zerstören. Nachdem das nicht gelang, musste ein US-Militärfahrzeug den Job erledigen. Die vermeintliche Löschung Saddams aus dem Gedächtnis der Menschen geriet für die USA zumindest im Irak zum PR-Desaster.
Dass den ehemaligen britischen Premier Winston Churchill dieses Schicksal ereilt, will die britsche Regierung verhindern – und hat ihn kurzerhand mit Brettern verkleidet.
Premier Boris Johnson twitterte hierzu: "Ja, er hat manchmal Meinungen geäußert, die inakzeptabel waren und es für uns heute sind, aber er war ein Held, und er hat sein Denkmal voll und ganz verdient. Wir können jetzt nicht versuchen, unsere Vergangenheit zu bearbeiten oder zu zensieren. Wir können nicht so tun, als hätten wir eine andere Geschichte.“
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