Staatsaffäre um Statue, Gift und Agenten

Staatsaffäre um Statue, Gift und Agenten
Die Entfernung einer Bronzefigur in Prag löst einen schweren Konflikt zwischen Russland und Tschechien aus.

„Inakzeptabler Angriff auf Russland. Nichts als eine Zeitungsente.“ Die russische Botschaft in Prag schwankte zwischen offener Empörung und heftigen Dementis. An den Berichten des renommierten tschechischen Wochenmagazins Respekt sei absolut nichts dran.

Bürgermeister unter Polizeischutz

Staatsaffäre um Statue, Gift und Agenten

Prags Zdenek Hrib muss geschützt werden

Die dort vor wenigen Tagen veröffentlichte Geschichte hatte es allerdings in sich: Der tschechische Geheimdienst habe die Einreise eines russischen Agenten in Prag beobachtet. Dieser Mann sei mit dem Gift Rizin ausgestattet, ein in Sowjetzeiten regelmäßig für Mordaufträge im Ausland eingesetzter Wirkstoff. Es bestünde daher höchste Gefahr für den Prager Oberbürgermeister Zdenek Hrib. Der steht seither unter Polizeischutz, andere Stadtpolitiker ebenso.

Nur die letzte Episode in einem diplomatischen Tauziehen zwischen Tschechien und Russland, das sich inzwischen zur Staatsaffäre ausgewachsen hat.

Sowjet-Marschall

Den Anlass für den Konflikt lieferte eine Statue beziehungsweise deren Entfernung. Der sowjetische Marschall Ivan Konew stand als überlebensgroße Bronzefigur über Jahrzehnte im sechsten Prager Gemeindebezirk. Der Befreier von Prag 1945 ist ein Kriegsheld der UdSSR.

Umso größer die Empörung, als die Prager Stadtverwaltung die Statue vor wenigen Wochen entfernen ließ – ausgerechnet vor dem 75. Jahrestag des Sieges über Hitlerdeutschland am 9. Mai. Moskau protestierte offiziell, sprach von „Vandalismus“ und warnte vor einer Verschlechterung der Beziehungen der beiden Staaten.

Polit-Hickhack

Damit rief man aber in Prag bestenfalls ironische Reaktionen hervor: Konew könne ja ohnehin in Prag stehen bleiben – im Museum.

Das politische Hickhack nahm von da an erst so richtig Fahrt auf. Zuerst leitete Russland Ermittlungen wegen „Schändung von Symbolen militärischen Ruhms“ ein. Zugleich begannen Aktivisten, die tschechische Botschaft in Moskau mit Gegenständen zu bewerfen und befestigten Transparente mit Aufschriften wie „Krieg dem Faschismus“.

Neue Provokation

Prag wiederum wartete nach der Entfernung der Statue mit einer weiteren Provokation auf. Der Platz „Unter den Kastanien“, wo die russische Botschaft steht, soll umbenannt werden, hat der Stadtrat beschlossen. In Zukunft wird er Nemzow-Platz heißen, benannt nach dem ehemaligen russischen Vizepremier unter Boris Jelzin, Boris Nemzow. Später einer der prominentesten Kritiker von Wladimir Putin. Nemzow wurde 2015 im Zentrum von Moskau erschossen.

Entsprechend rasch war man dann auch in Moskau mit einer Umbenennung zur Stelle. Die U-Bahn Station „Prazska“, also Prag, soll in Zukunft Konew heißen, also genau wie jener Weltkriegsheld, der in Prag gerade vom Sockel gestürzt worden war.

Weitere Verschärfung

In Prag spricht der außenpolitische Ausschuss des Parlaments inzwischen von einem Eingriff in die Unabhängigkeit der Tschechischen Republik. Pünktlich zum Gedenktag am 9. Mai droht also eine weitere Verschärfung des Tonfalls.

Die „letzten Töne in dieser Nummer“ seien jetzt gespielt, hatte sich ein Prager Bezirkspolitiker nach Entfernung der Statue gewünscht. Es sieht nicht danach aus.

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