"Solidarität westlicher Medien ist wichtig"

Rubina Möhring fordert klare Worte der EU Richtung Türkei
Präsidentin Rubina Möhring, derzeit in Istanbul, zeichnet ein überaus düsteres Bild der Lage der Pressefreiheit in der Türkei.

"In der Türkei gibt es immer weniger Medienleute, die es wagen, Kritik zu üben", schlägt Rubina Möhring direkt in der Höhle des Löwen Alarm. Der KURIER erreichte die Präsidentin des Österreich-Zweiges von "Reporter ohne Grenzen" (RoG) in Istanbul, wo sie gestern einen Prozess gegen die türkische Kollegin Nadire Mater verfolgte.

Die Journalistin, die 2013 in Wien von RoG mit dem "Press Freedom Award" ausgezeichnet wurde, betreibt in der Türkei eine sozialkritische Internetplattform (bianet.org), auf der sie auch Statements von inhaftierten Kollegen veröffentlichte. "Angeklagt wurde sie aber, weil sie sich mit einer ins Visier geratenen kurdischen Zeitung solidarisiert hatte. Der Vorwurf: Terror-Unterstützung", sagt Möhring. Einen Deal, sich schuldig zu bekennen und dafür fünf Jahre lang – bei Wohlverhalten – nicht belangt zu werden, habe Mater abgelehnt, "sie ist unbeugsam", der Prozess wurde vertagt.

Diesen verbliebenen, aufrechten Journalisten müsse der Rücken gestärkt werden, fordert die RoG-Vorsitzende: "Deswegen ist die Solidarität westlicher Medien so wichtig", die der KURIER mit den bedrängten Kollegen seit Tagen intensiv pflegt.

"Größtes Gefängnis"

Das gebe den Betroffenen das Gefühl, nicht alleine zu sein. Und zudem "sehen die Autoritäten, dass sehr wohl beachtet wird, was sie tun", so Möhring, die in diesem Zusammenhang einen Querverweis auf den Zweiten Weltkrieg macht. Die Sendungen der BBC seien enorm wertvoll und hilfreich gewesen, nicht umsonst hätten die Nationalsozialisten das Hören dieser Frequenz verboten.

Das Kesseltreiben gegen kritische Medienleute in der Türkei, so die RoG-Präsidentin, habe jedenfalls ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht. Früher schon sei das Land das "größte Gefängnis für Journalisten" gewesen, wo sie jahrelang auf ihre Verhandlungen warten hätten müssen. Doch jetzt sei alles noch viel schlimmer.

Auch Kärntens verstorbener Landeshauptmann Jörg Haider habe nach dem Jahr 2000 versucht, mit einer Klagewelle Redakteure einzuschüchtern. Selbst diese "Light"-Variante habe gezogen – die Zunft sei vorsichtiger geworden. Doch in der Türkei geht es um "mehrere Jahre im Gefängnis", betont Möhring.

Auslandskorrespondenten in Sorge

Zur Situation ausländischer Korrespondenten meinte sie, dass diese noch unabhängig berichten könnten. "Ich hatte Kontakt mit der APA-Kollegin. Sie ist Deutsche, und stammt aus einer türkischen Familie. Derzeit sei sie nicht gefährdet, sagte sie mir." Das große Fragezeichen sei aber, ob die Behörden die Akkreditierungen verlängern werden, zumal einige Journalisten auf diese Weise bereits außer Landes komplimentiert wurden. Das nächste Stichdatum dafür sei der Jänner.

Von der EU fordert die RoG-Chefin klare Worte zu der Beschneidung der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei. Mit einer Appeasement-Politik werde man den EU-Flüchtlingspakt mit Ankara auch nicht retten.

"Reporter ohne Grenzen" selbst will weiterhin Prozessbeobachter in die Türkei schicken. Außerdem sollen nach Österreich geflüchtete türkische Journalisten, die gerade "noch ihr Leben retten konnten", besser miteinander vernetzt werden, so Möhring.

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