"So ein Aufstand führt zu nichts"

Viele der Migranten in den Niederlanden fürchten, dass sich der Ärger letztlich auch gegen sie richtet.

Ein paar plattgetretene Orangenschalen kleben am Montag noch auf den Pflastersteinen, ansonsten ist am "Plein 40-45", einem Platz im Westen Amsterdams, nichts mehr von den Ausschreitungen des Vorabends zu sehen. Rund 250 türkischstämmige Demonstranten lieferten sich am Sonntag mit der Amsterdamer Polizei eine heftige Straßenschlacht, die Sicherheitskräfte mussten mit einem Wasserwerfer anrücken. Sechs Demonstranten wurden festgenommen.

"Das wird nicht mehr passieren", sagt einer der drei holländischen Polizisten, die in einer Ecke stehen und die Passanten beobachten, zum KURIER und fährt fort: "Wir wurden gestern überrascht, jetzt haben wir alle Vorkehrungen getroffen. Sollten wir nur ein Anzeichen einer aggressiven Gruppe sehen, wird es bald vor Polizisten wimmeln."

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Angespannt

Entlang des Platzes befinden sich einige Supermärkte, aber auch türkische Geschäfte und Dönerbuden. Die Stimmung wirkt angespannt. Viele der Türken wollen am liebsten gar keine Worte über die jüngsten Auseinanderstzungen verlieren. Die Angst, dass sich der Ärger zuletzt gegen sie richtet, geht um.

Zwei ältere Damen beschweren sich aufgebracht darüber, dass sie vor lauter Lärm und Angst nicht schlafen konnten, ein älterer Herr türkischer Abstammung mustert sie im Vorbeigehen argwöhnisch. Es sei wie im Krieg gewesen, meint eine der Damen übellaunig.

Im Laden versteckt

Ein türkischstämmiger Ladenbesitzer, der nicht beim Namen genannt werden möchte, beschreibt die Vorkommnisse: "Ich musste meinen Laden zusperren, weil sich immer mehr von denen dort verstecken wollten. Meine Freunde haben mich angerufen und gesagt, ich solle mitdemonstrieren. Das wollte ich jedoch nicht – wie man heute sieht, führt so ein Aufstand zu nichts. Auch wenn ich die Maßnahmen der Niederlande nicht nachvollziehen kann."

Am Samstag hatten die Niederlande ein Einreiseverbot über den türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu und wiesen die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya nach Deutschland aus. Die Ministerin wurde mitten in der Nacht von der Polizei bis zur deutschen Grenze eskortiert, was in der Türkei und auch bei türkisch-stämmigen Menschen in den Niederlanden besonders für Empörung gesorgt hat.

Beide Minister hatten vorgehabt, bei den rund 480.000 türkischen Niederländern für das umstrittene Referendum des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu werben. Seither kriselt es zwischen den Niederlanden und der TürkeiÇavuşoğlu warf den Niederländern gar vor, die "Hauptstadt des Faschismus" zu sein.

Die türkische Führung verlangt von Den Haag eine offizielle Entschuldigung – für den Umgang mit den Ministern und den Demonstranten. Vor allem die Bilder von einem Polizeihund, der sich am Samstag in Rotterdam im Oberschenkel eines jungen Türken festgebissen hatte und nicht mehr ausließ, lösten Wut aus.

Reisewarnung

In den Niederlanden reagierte die Regierung von Mark Rutte auf die aufgeheizte Stimmung mit einer Verschärfung der Warnhinweise für Türkei-Reisende: Holländer sollen größere Versammlungen und volle Plätze in der Türkei meiden. Von Türkei-Reisen generell rät das Außenamt aber nicht ab.

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