Slowakische Medien: Massive Eingriffe befürchtet

Slowakische Medien: Massive Eingriffe befürchtet
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Fernsehen sollen aufgelöst und umgebaut werden. Soziologe: Slowakische Gesellschaft weltanschaulich extrem polarisiert.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (RTVS) in der Slowakei befürchten massive Eingriffe der Politik durch die geplante Auflösung und Neugründung. Das berichtete die Radiojournalistin Soňa Weissová am Montag vor Journalisten in Wien bei einer Veranstaltung des Weiterbildungsinstituts fjum. Weissová setzt sich für Pressefreiheit in der Slowakei ein und hat Proteste gegen die Umstrukturierung organisiert.

Die zweite Lesung des entsprechenden Gesetzes steht diese Woche auf der Tagesordnung des Parlaments in Bratislava. Ob es auch zu einer Abstimmung kommt, ist laut Weissová noch unklar. Die Hauptkritikpunkte an dem Gesetz sind nach ihrer Schilderung ein geplantes Aufsichtsgremium, das von Kulturministerin Martina Šimkovičová und dem Parlament besetzt wird und den Direktor des Unternehmens - das künftig STaR heißen soll - bestimmt. Zudem sei eine "Ethikkommission" geplant, hinter der sie und ihre Mitstreiter eine "Zensurbehörde" vermutet. 

Protestbrief

Mehr als 1.200 Mitarbeiter des Unternehmens hätten einen Protestbrief gegen den politischen Druck unterschrieben, erinnerte Weissová. Allerdings habe vergangene Woche an einem Streik wiederum nur ein Zehntel der Belegschaft teilgenommen.

Bereits zuvor habe es politische Einschränkungen der redaktionellen Freiheit bei RTVS gegeben, erzählte sie, etwa bei der Berichterstattung über bestimmte Themen wie dem Medienfreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen (RSF). "Da sind sie aber noch 'mit weißen Handschuhen' vorgegangen", so die Radiojournalistin. Ihre Befürchtung ist, dass die Eingriffe jetzt direkter und vor allem viel massiver würden. Parallel dazu würde auch der politische Druck auf private Medien, etwa den großen privaten Fernsehsender Markíza, verstärkt.

Die slowakische Gesellschaft sei weltanschaulich extrem polarisiert, erklärte der Soziologe Michal Vašečka vom Bratislava Policy Institute bei der gleichen Veranstaltung. Es gebe praktisch keine Gemeinsamkeiten in der Sicht auf die Welt und die Position der Slowakei darin. Er nannte im außenpolitischen Bereich als Themen etwa die Einstellung zur EU, zur NATO, zu Russland oder den USA. Laut Untersuchungen sei die Ablehnung des Westens einschließlich EU, NATO und USA unter den Slowaken am höchsten im Vergleich zu den Nachbarländern, ebenso der Glaube an Verschwörungstheorien. "In der Slowakei treffen Westeuropa, Osteuropa und der Balkan zusammen", schilderte er.

Besorgniserregende Methoden

Besorgnis bereiten sowohl der Journalistin als auch dem Soziologen zudem die Methoden, mit denen Politiker in der Slowakei Journalisten und vor allem Journalistinnen, aber auch politische Konkurrenten einschüchtern. Vašečka präsentierte eine Liste von Zitaten des Regierungschefs Robert Fico aus den vergangenen Monaten, wo er Journalisten als "Schweine", "Ratten" und "antislowakische Prostituierte" bezeichnete oder politischen Konkurrenten Gewalt androhte.

Vor dem Haus der kürzlich aus dem Amt geschiedenen liberalen Staatspräsidentin Zuzana Čaputová habe es in den vergangenen Jahren immer wieder nächtliche Demonstrationen gegeben, Drohanrufe oder Verbalattacken in sozialen Medien gegen ihre Kinder, berichtete der Soziologe. Politiker in Pressekonferenzen würden die Namen kritisch fragender Journalisten laut nennen, woraufhin diese bald darauf Droh-Emails oder Hassnachrichten auf Social Media bekämen. Nicht alle halten diesem Druck stand: "Viele wollen einfach nur überleben."

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