Warum die slowakische Regierung den öffentlich-rechtlichen Sender abdrehen will
Man stelle sich vor: Eine Regierung will den Generaldirektor einer öffentlich-rechtlichen Medienanstalt absetzen und den generell objektiven und daher auch durchaus regierungskritischen Kurs des Senders abstellen. Doch im Fall des slowakischen Senders RTVS - er entspricht in etwa dem ORF in Österreich - geht das nicht: Der Vertrag des Generaldirektors läuft bis 2027, und ohne dessen Absetzung kann auch die Linie der Medienanstalt nicht geändert werden.
Also beschließt die links-populistische Regierung von Premier Robert Fico: Der Sender wird einfach zugesperrt - ein neuer, mit der Regierung genehmer Führungsmannschaft wird gegründet. Am Mittwoch hat die Dreiparteienregierung in Bratislava den umstrittenen Gesetzesvorschlag der nationalistischen Kulturministerin Martina Simkovicova angenommen. Jetzt muss nur noch das Parlament zustimmen - davon kann im Juni ausgegangen werden. Die Opposition hat zu wenige Gegenstimmen, um diesen Paukenschlag zu verhindern.
Zigtausende Menschen hatten Mitte März in Bratislava gegen diese Pläne der Regierung protestiert. Auch Präsidentin Zuzana Caputova, deren Amtszeit im Juni endet, sowie zahlreiche NGOs und Journalisten kritisierten das Vorhaben massiv. Zur Nachrichtenagentur TASR sagte Caputova: "Es gibt keinen realen Grund für die Auflösung von RTVS außer einem einzigen - nämlich die politische Kontrolle darüber zu übernehmen."
Regierungschef Fico behauptet dagegen, die Reform sei notwendig, weil RTVS politisch voreingenommen sei und "im Konflikt mit der slowakischen Regierung stehe". Kulturministerin Simkovicova wirft RTVS sogar vor, nur "Mainstream-Meinungen" zu verarbeiten und den Rest zu zensieren. Der Sender weist das kategorisch zurück. Bei der Mehrheit der Seher und Hörer in der Slowakei wird RTVS als objektiv und vertrauenswürdig wahrgenommen.
Mehr als tausend RTVS-Mitarbeiter unterschrieben einen Protestaufruf und schlossen einen Streik nicht aus. Auch die Europäische Rundfunkunion EBU kritisierte die Pläne der slowakischen Regierung. Nichtregierungsorganisationen kündigten an, die EU-Kommission einschalten zu wollen.
Kommentare