Skifahren in Corona-Zeiten: "Österreich hat es schon mal vergeigt"

Skifahren in Corona-Zeiten: "Österreich hat es schon mal vergeigt"
Deutsche und italienische Medien befassen sich ausführlich mit Österreichs Haltung, die Skigebiete offen zu halten - meist nicht sehr freundlich. Schweizer halten dagegen.

"Süddeutsche Zeitung"

“Österreich hat es sich selbst zuzuschreiben, dass es auch in Deutschland eine Debatte gibt, ob Skigebiete bis Mitte Jänner geschlossen bleiben müssen. Es gibt einen Ischgl-Reflex, denn dieser Ort steht für das erste Superspeader-Event der Pandemie, als sich das Virus von Tirol aus in Europa verbreitete. Ischgl steht für den Unwillen, die Ausbreitung einzudämmen. (...) Dass sich nun (Bundeskanzlerin, Anm.) Angela Merkel den Forderungen anschließt, europaweit Skigebiete zu schließen, verwundert nicht. (...) Eine europaweite Regelung zu finden, wird wegen der unterschiedlichen Interessenslagen schwierig: Was für Deutschland die Autoindustrie ist, das ist für Österreich der Tourismus."

"Passauer Neue Presse“

„Auf der deutschen Corona-Landkarte leuchtet Bayern nicht weiß-blau, sondern tiefrot. Da gilt es zu handeln, nachzubessern und zu verschärfen. Doch wie viel Sinn macht es, hierzulande gleichermaßen harte wie teure Maßnahmen zu ergreifen, wie etwa die Schließung von Gastronomie oder Fitnessstudios, wenn es die Leute dann stattdessen beim Skifahren und Apres-Ski in Österreich munter krachen lassen? Bayern hat eine 7-Tage-Inzidenz von 170, Österreichs Skigebiete von mehr als 500. Die bayerische Quarantäne-Vorschrift für Tagestouristen macht da also durchaus Sinn, zumal es die Österreicher im Frühjahr in Ischgl schon mal vergeigt haben. Die Regel würde sich übrigens ganz leicht sprachlich einfach und präzise fassen lassen, so wie bei den zehn Geboten: Du sollst nicht nach Österreich zum Skifahren.“

"Münchner Merkur“

„In seinem steten Bemühen, den Lockdown wieder härter als alle anderen zu zelebrieren, hat Bayerns Ministerpräsident Söder sich jetzt auf das Skifahren eingeschossen. Er will es, mit Merkels Hilfe, überall in den Alpen, vor allem in Österreich, verbieten lassen, ungeachtet funktionierender Hygienekonzepte der Bergbahnen. Aber ist der Kurzaufenthalt mit Maske im Lift wirklich gefährlicher als die dreiviertelstündige Fahrt in einer vollen Münchner S-Bahn, die die Staatsregierung offenbar für so risikolos hält, dass sie hier auf Maßnahmen verzichtet? Der Staat stellt die Welt der Gastronomen, Ladenbesitzer und Liftbetreiber per Federstrich auf den Kopf, doch in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich macht er weiter, als gäbe es kein Virus. Söder sollte sich nicht wundern, wenn manche da den Kopf schütteln."

"Stuttgarter Zeitung“

„Gegen Individualsport an der frischen Luft ist selbst in pandemischen Zeiten eigentlich nichts einzuwenden. Das gilt auch für verschneite Hänge. Dennoch spräche vieles dafür, den Skitourismus erst einmal zu unterbinden. Das haben die Kanzlerin und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im Sinn. Allein das Wedeln ist nicht mit Corona-Risiken verbunden, sehr wohl aber das Schlangestehen an den Liften, das Gedränge in Seilbahnkabinen. Dazu müssen noch nicht einmal Zustände wie in Ischgl herrschen. Welche Nebenwirkungen Spaß entfalten kann, sofern ihn allzu viele suchen, war im Sommer schon auf Spaniens Strandpromenaden zu besichtigen.“

“Il Giornale"

“Europa wird uns beim Starttor allein lassen. Der Ski-Pakt, an dem Premier Conte arbeitet, droht nicht zustande zu kommen. Europa ist über alle möglichen Themen gespalten, doch die Front gegen das Skiverbot ist kompakt. Kein Wunder, denn in Österreich ist Skifahren der Nationalsport, wie bei uns Fußball."

“Corriere della Sera"

“Ski spaltet Europa. Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel führt die Achse der Länder, die die europäischen Skipisten über Weihnachten schließen wollen. Davon will Österreich nichts wissen, obwohl Ischgl zu einem der weltweit größten Infektionsherde der ersten Epidemiewelle geworden ist. Die Regierung in Wien könnte einen europäischen Ski-Pakt nur gegen Geldzahlungen akzeptieren."

“La Stampa"

“Für die norditalienischen Regionen ist die Position Österreichs, der Schweiz und Sloweniens, die ihre Skianlagen nicht schließen wollen, ein Problem. Daher fordern sie jetzt die Grenzschließung, ein Ding der Unmöglichkeit. Italien und Deutschland kämpfen noch um eine Einigung auf europäischer Ebene, die Regierung Conte hofft, Frankreich auf die Seite der Länder zu bringen, die vernünftigerweise die Pisten geschlossen halten werden. Es wird jedoch zu keinem Abkommen aller 'Bergländer' kommen."

"Neue Zürcher Zeitung“

"Die Skipiste ist zum neuen Kampfgebiet für die „richtige“ Corona-Politik geworden. (...) Es geht also um ein nachbarschaftliches Powerplay: das große Deutschland sowie die ebenso gewichtigen Frankreich und Italien gegen das kleine Österreich - und womöglich bald auch gegen die kleine Schweiz. Die Druckversuche sind nicht nur anmaßend, sie sind auch falsch. In der Corona-Pandemie hat sich mittlerweile hinreichend klar gezeigt, dass das Infektionsgeschehen auf lokaler Ebene bekämpft werden muss und kann. (...) Die Winterferien erscheinen relativ sicher, und man kann es der Selbstverantwortung der Menschen überlassen, ob ihnen solche Ferien in dieser bedrückenden Corona-Zeit vielleicht auch guttun. Die deutsche Politik sollte sich wieder auf ein liberales Leitprinzip besinnen: So viele Freiheiten wie möglich und nur so viele Einschränkungen wie nötig."

“Tages-Anzeiger"

“Mit ihrem zentralistischen Angst-Instinkt liegen (Italiens Regierungschef) Giuseppe Conte, (der französische Präsident) Emmanuel Macron und (die deutsche Kanzlerin) Angela Merkel aber falsch. Ein länderübergreifender Ski-Lockdown hätte zwar den Vorteil der Einheitlichkeit - das Gegenteil jener viel bejammerten pandemiepolitischen 'Flickenteppiche'. (...) Es ist unwahrscheinlich, dass sich die drei in der EU durchsetzen. Auch weil Sebastian Kurz, Kanzler der Skination Österreich, nicht mitmachen will. Die Schweiz wird mit guten Gründen ebenfalls bei ihrem eingeschlagenen Kurs bleiben und die Skigebiete mit Schutzkonzepten offenhalten. Und nein: Die Schweiz wird damit nicht zur 'Profiteurin' einer europäisch uneinheitlichen Pandemiepolitik. Denn der Skiwinter wird ohnehin anders sein. Abstandsregeln in Bergbahnen werden Zugangsbeschränkungen nötig machen. (...) Wer aber die Gelegenheit hat, nach neun Monaten Lock- und Slowdown in den Bergen Sonne und Luft einzusaugen, wird dankbar sein. Und seine Dankbarkeit durch peinlichgenaues Einhalten der Corona-Regeln zum Ausdruck bringen."

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