Von der Armee beschützt
Die Gewalt, die sich hier im Schatten des Kriegs im Gazastreifen entlädt, hat eine lange Vorgeschichte. Mehrere Hunderttausend Siedler leben im Westjordanland, ihre Siedlungen wuchsen in den letzten Jahren im Schutz der Regierung und der israelischen Streitkräfte.
Das erzeugte Gegendruck. Schon vergangenes Jahr hatte sich die Lage im Westjordanland massiv verschlechtert, die bewaffneten Angriffe gegen israelische Siedler und Soldaten wurden mehr. Die militanten Siedler reagierten mit zum Teil pogromartigen Angriffen und Brandstiftungen gegen palästinensische Dörfer, auch die israelische Armee reagierte mit Härte – fast täglich kam es zu Feuerwechseln mit Toten und Verletzten.
Rachedurst
Nach dem blutigen Angriff der Hamas-Terroristen vor zwei Wochen verstärkte sich der Rachedurst der „wilden Bergjugend“ aber noch massiv. Den Radikalen geht es dabei aber nicht um Israels Zukunft oder Sicherheit. Sie wollen anstelle Israels den „Staat Judäa“ errichten, ohne Demokratie und ohne Palästinenser.
Darum wollen sie, wie die Hamas, die Ausweitung des Krieges in alle Himmelsrichtungen. Der soll dann „mit Gottes Hilfe“ zum Sieg und ersehnten Ziel führen.
Die Armee hatten Mitglieder der „Bergjugend“ vor geraumer Zeit in ihre eigenen Reihen geholt, man erhoffte sich einen mäßigenden Einfluss auf die jungen Radikalen, die oft von der Wehrpflicht ausgeschlossen sind – weil sie vorbestraft sind, teils auch wegen Angriffen auf Soldaten.
Jetzt zeigt sich, dass das nach hinten los gegangen ist: Die Siedler haben die Armeeangehörigen radikalisiert. In Wadi Ssik filmten israelische Besatzungskritiker den Angriff, auch sie wurden festgenommen und gefesselt. „Siedler wie Soldaten prügelten auf uns ein“, erklärte ein Augenzeuge, „aber es war klar, dass die Siedler das Sagen hatten.“
Frustration im Süden
Doch nicht nur die Armee nahm die militanten Siedler bei sich auf, auch Israels Premier Netanjahu holte ihre Vertreter in sein Kabinett. Bei vielen Israelis, deren Dörfer im Süden des Landes von der Hamas mit Raketen verwüstet wurden und die jetzt in Notunterkünften am Toten Meer sitzen, macht sich darum Frust breit.
Die Politik im Westjordanland ist für sie die Erklärung, warum Israels Militär bei den Angriffen aus dem Gazastreifen so schwach reagierte: „Die Soldaten wurden in den besetzten Gebieten gebraucht. Die wurden zum Schutz der Siedler verlegt.“
Sie sind nicht nur enttäuscht sondern mittlerweile auch misstrauisch. Letzte Woche berichtete die angesehene Wirtschaftszeitung The Marker davon, dass die Regierung plant, in die seit der Evakuierung leer stehenden Kibbuzdörfer am Gazastreifen nach dem Krieg Siedler einziehen zu lassen. Ein durchaus naheliegender Verdacht, da die Planung des Wiederaufbaus im Süden altbekannten Siedleraktivisten anvertraut wurde.
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Der Aufschrei der traditionell sozialistischen Kibbuzbevölkerung war groß. Die Ministerin für Ansiedlung, ebenfalls eine Siedlerlobbyistin, beeilte sich aufgeschreckt, all das zu dementieren: „Unser erstes Ziel für die Zukunft ist die Rückkehr aller Bewohner in ihr Zuhause.“
Hagar aus Nirim, einem Ort ein paar Kilometer östlich des Gazastreifens, hat ihre eigene Meinung dazu. „Vor der Zukunft habe ich keine Angst. Ich habe Angst vor dieser Regierung.“
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