USA gegen China - bei diesem Kampf um die technologische Vorherrschaft geriet der chinesische 5-G-Weltmarktführer Huwaei ins Visier Washingtons. Huawei-Europa-Vertreter Abbraham Liu im Exklusiv-Interview.
Daten, so heißt es, sind das Öl des 21. Jahrhunderts. Wenn dem so ist, sind 5G-Netzwerke die Pipelines dafür. Wer sie bauen - und damit das hochsensible Zentralnervensystem der kommenden total vernetzten Welt in den Händen halten darf - darüber ist ein globaler Machtkampf entstanden.
Als erster chinesischer Konzern von Weltbedeutung überhaupt hat sich der Netzwerkausrüster Huawei die massive Feindschaft der USA zugezogen. Washington belegt den Konzern mit Sanktionen, will ihn von seinem Halbleiter-Nachschub abschneiden. US-Präsident Trump wirft Huawei Spionage für die chinesische Führung vor - der Konzern wehrt sich vehement.
Doch auch in Europa wachsen die Bedenken. Huaweis Vertreter bei den EU-Institutionen, Abraham Liu, dazu im KURIER-Exklusivinterview.
KURIER: In Österreich gibt es um den 5-G-Netzwerkanbieter Huawei relativ wenig Aufregung. Nicht so in den meisten anderen europäischen Ländern. Ist die Frage, ob Huawei beauftragt wird, statt einer technischen nun eine politische geworden?
Abraham Liu: Diese ganze Debatte mutet an, als wäre Huawei neu in Europa. Aber wir sind schon seit 20 Jahren hier. Es war eine lange und nicht einfache Reise, von den europäischen Kunden akzeptiert zu werden. Wir wurden von den Providern streng geprüft, gecheckt und bewertet.
In Punkto Cybersicherheit hat Huawei die beste Erfolgsbilanz: Es gab viele Cyberunfälle und -Attacken, aber in keine waren wir verwickelt. Nun erhebt die Supermacht USA diese Anschuldigungen und lobbyiert gegen uns.
Aber die meisten europäischen Staaten, darunter Österreich, sind rationaler. Sie urteilen nach ihrem eigenen industriellen, wirtschaftlichen, technischen Bedarf. Wir sind ein privates Unternehmen, im hundertprozentigen Besitz seiner Mitarbeiter, und müssen uns an Recht und Gesetze halten, so wie wir es in den vergangen Jahren immer gemacht haben.
Wir hatten nie erwartet, in solche politische Diskussionen verwickelt zu werden und mit solchen geopolitischen Attacken der USA zu tun zu haben.
KURIER: Ist Huawei Zielscheibe im Machtkampf zwischen USA und China geworden?
Das ist offenbar der Preis dafür, so erfolgreich zu sein. Wir haben nichts falsch gemacht. Der Großteil der Welt folgt weiter dem Multilateralismus, deshalb sollten wir auf die Dauer gesehen die Hoffnung nicht verlieren. Aber kurzfristig gibt es Turbulenzen.
Es gibt von amerikanischer Seite eine gewaltige Anstrengung, die technologische Vorherrschaft in der 5-G oder 6-G-Ära zur erreichen. Deshalb sind sie motiviert, andere Wettbewerber an die Wand zu drücken. Da geht es um den zukünftigen globalen technologischen Wettbewerb.
Wie können Sie Ihre Kunden noch beliefern, wenn ihre Halbleiter-Zulieferer von US-Sanktionen bedroht werden?
Seit den amerikanischen Sanktionen im vergangenen Jahr dürfen uns amerikanische Hersteller von Halbleitern nicht mehr beliefern, unsere bisherigen US-Partner also nicht mehr mit uns arbeiten. Seit August ist es noch schwieriger geworden. Jetzt erpressen die USA die Halbleiter-Unternehmen in allen anderen Staaten mit deren Geschäften in den USA: Beliefern sie Huawei, drohen ihnen Sanktionen bei ihren US-Aktivitäten.
Dennoch sind wir zuversichtlich, dass wir unsere europäischen Kunden weiter auf dem 5-G-Sektor betreuen können, wegen vieler Vorbereitungen und Vorleistungen mit der am weitesten entwickelten Technologie.
Aber sicher ist auch: Wenn man alle diese Halbleiterlieferanten stoppt, schadet es auch den amerikanischen Lieferanten. Das zwingt China, Alternativen zu entwickeln. Man hat keine andere Wahl.
Und China hat eine Erfolgsgeschichte darin, Technologierückstände schnell aufzuholen. Wenn die USA ihre technologische Dominanz und ihren Vorsprung mehr und mehr als politische Waffe nutzen, werden die anderen im Rest der Welt über Alternativen nachdenken.
Auf der Seite der Privatkunden, bei den Handybesitzern, sehen wir große Schwierigkeiten. Es gibt 90 Millionen europäische Huawei-Nutzer. Google darf nicht mehr mit Huawei zusammenarbeiten, Google wird also keine Updates mehr für Huawei-Smartphones mit dem Betriebssystem Android veröffentlichen. Diese Maßnahme Washingtons ist nur Politik-getrieben. Wir suchen noch weiter nach einer Lösung.
Wird die Welt künftig in zwei technologische Sphären aufgeteilt – zwischen USA und China?
Das wollen die USA, aber wir nicht. Wir glauben, dass mit notwendigem Wettbewerb die Kosten geringer gehalten werden. Der durchschnittliche Preis für einen Gigabite Daten in Europa beträgt nur ein Drittel von jenem der USA. Huawei ist nicht in den USA tätig, es gibt also dort keine Konkurrenz.
Auf der einen Seite haben wir Chinas Seidenstraßen-Projekt… und auf der US-Seite die „Clean-network“-Initiative. Beide versuchen, Partner an sich zu binden und die Konkurrenz auszuschließen.
Das ist eine seltsame Initiative. Welches Netzwerk ist rein, und welches in schmutzig? Wenn ein Netzwerk leicht angegriffen werden kann, ist es dann schmutzig? Das ist doch nur Ideologie: Die chinesische Regierung ist kommunistisch, deswegen hat sie in den USA ein schlechtes Image, und dann zieht man automatisch den Schluss: Auch Huawei ist schlecht. Aber Huawei kam viel früher als das „Seidenstraßenprojekt“ nach Europa. Wir sind ein rein geschäfts-orientiertes Unternehmen.
Die größten Bedenken gegen Huawei liegen doch darin, dass der Staat das Unternehmen zwingen könnte, Daten abzusaugen und zu transferieren. Das chinesische Geheimdienstgesetz von 2017 besagt, dass kein Unternehmen die Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst verweigern darf.
Dieses Gesetz berührt unsere Geschäfte nicht. Drei internationale Rechtsanwaltskanzleien haben Gutachten erstellt, dass wir keine gesetzliche Verpflichtung haben, von unseren Kunden außerhalb von China Daten zu sammeln und an die chinesische Regierung zu übergeben.
Abraham Liu (40) ist der Vertreter des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei bei den EU-Institutionen. Mit einem Jahresbudget von mehr als zwei Millionen Euro spielt der Weltkonzern bei den Lobbyisten in Brüssel mittlerweile in der selben Liga wie Amazon oder facebook. Seit zwei Jahren agiert Abraham Liu als Huaweis Cheflobbyist in Brüssel - und hat mit wachsender Zurückhaltung von europäischer Seite zu kämpfen. Spätestens seit dem massiven Druck aus Washington, das Huawei mögliche Spionage für die chinesische Führung vorwirft, stehen viele europäische Staaten auf der Bremse. Im Jänner gab die EU eine Art "Werkzeugkasten" heraus: Darin werden die EU-Staaten aufgefordert, keinen "Hochrisiko-Lieferanten" mit dem Auftrag für den Ausbau ihrer 5G-Netze zu betreuen - Namen aber werden nicht genannt.
Huawei beschäftigt in Europa 12.000 Mitarbeiter, weltweit sind es rund 200.000. Der Jahresumsatz betrug 2019 etwa 111 Milliarden Euro. Rund 20 Milliarden Euro investiert derder Konzern jährlich in Forschung. DerKonzern ist im Besitz seiner Mitarbeiter. Firmengründer Ren Zhengfei (76) besitzt noch 1,6 Prozent der Anteile.
Zudem hat vor kurzem auch Außenminister Wang Yi im Rahmen der „globalen Datensicherheitsinitiative der chinesischen Regierung versichert: Die Regierung respektiert die Datensouveränität anderer Staaten. Kein Staat solle seine Unternehmen dazu zwingen, Cyperspionage oder Cyberattacken zu betreiben. Nein, Ich bin nicht besorgt.
Und noch ein Wort zu Huaweis Rolle: Wir haben keine Userdaten; die hat der europäische Provider; etwa die Deutsche Telekom oder Orange. Wir sorgen nur für die Ausrüstung. Wir haben keinen Zugang zu den Daten, solange man uns nicht aus technischen Gründen um Hilfe bittet. Und all diese Unterstützung wird streng kontrolliert gewährt.
Es war allerdings auch nicht sehr hilfreich, dass der chinesische Botschafter der deutschen Autoindustrie gedroht hat, sollte Huawei in Deutschland als Anbieter ausgeschlossen werden.
Ich denke nicht, dass ein chinesischer Botschafter in einer Position ist, irgendjemandem zu drohen. Das tun zwar US-Botschafter immer wieder gerne. Nein, Vieles spricht für eine engere Kooperation Chinas mit Europa: hierbei spielt die Automobilindustrie eine Schlüsselrolle. Sie verändert sich, und das Digitale spielt dabei eine riesige Rolle. Das ist eine Sorge der USA: Man befürchtet mit der eigenen Automobilindustrie nicht mehr genug wettbewerbsfähig zu sein.
Und so versucht man zu verhindern, dass der beste 5-G-Partner mit der besten Automobilindustrie kooperiert. Heute gibt es die mächtige GAFA (google, apple, facebook und amazon): Wer werden die nächsten GAFA sein? 5-G und Künstliche Intelligenz werden sie für die nächsten 20 Jahren definieren.
Die USA haben klare wirtschaftliche Motive und Interessen, Huawei zu killen. Sie versuchen Huawei umzubringen. Und in Europa versuchen die US-Regierung die Staaten zu erpressen, Huawei als Anbieter im Rennen um den Ausbau der 5-G-Netze auszuschließen.
Ist das die entscheidende Zeit für Huawei - nicht nur Marktführer zu blieben, sondern auch zu überleben?
Bis zu den amerikanischen Wahlen herrscht noch Unsicherheit. Wir hoffen, dass die nächste Administration – wer immer das sein wird – versteht, dass Huawei umzubringen weder realistisch ist, noch das ihren Interessen dient. Kurzfristig werden wir schwierige Zeiten erleben, aber langfristig sieht es anders aus.
Kommentare