Russische Sorge über wachsende Anti-Kriegs-Stimmung im Land
Die russische Führung sorgt sich nach Einschätzung britischer Geheimdienstexperten über die Zunahme einer Anti-Kriegs-Stimmung in ihrem Land. Darauf weise die Absage der traditionellen Jahrespressekonferenz des russischen Präsidenten Wladimir Putin hin, hieß es in dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London am Dienstag.
„Die Offiziellen im Kreml sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sehr besorgt über die Möglichkeit, dass eine von Putin besuchte Veranstaltung für eine unerlaubte Diskussion über die “militärische Spezialoperation„ gekapert werden könnte“, so die per Twitter verbreitete Mitteilung.
Putins große Jahrespressekonferenz fand seit 2001 insgesamt 17 Mal statt. Unterbrechungen gab es nur im Jahr 2005 sowie in den Jahren 2008 bis 2012, als Dmitri Medwedew das Präsidentenamt bekleidete. Zu der Veranstaltung reisten stets Hunderte russische und ausländische Medienvertreter an.
FSB klagt über Terrorverbrechen in Russland
Der russische Inlandsgeheimdienst FSB beklagt eine Zunahme von Terrorverbrechen im Land. FSB-Chef Alexander Bortnikow machte am Dienstag bei einer Sitzung des Nationalen Anti-Terror-Komitees (NAK) von den USA und anderen Staaten unterstützte ukrainische Geheimdienste für die Taten verantwortlich.
Besonders betroffen seien die Grenzregionen zur Ukraine, sagte Bortnikow einer Mitteilung des Komitees zufolge. Dort kommt es fast täglich zu Explosionen. Im Gebiet Brjansk meldeten die Behörden am Dienstag Beschuss von ukrainischer Seite.
123 Terrorverbrechen
Industrieanlagen, Atomkraftwerke, Treibstofflager und Energieinfrastruktur sowie Verkehrswege müssten im Zuge der erhöhten Gefahr durch Russlands Krieg gegen die Ukraine besser vor möglichen Terroranschlägen und Sabotageakten geschützt werden, hieß es bei der Sitzung. Bortnikow sagte, dass seit Jahresbeginn 123 Terrorverbrechen verhindert worden seien, darunter 64 Anschläge. Ausgehoben worden seien mehr als 50 Waffenschmieden im Untergrund. Zudem seien 74 organisierte kriminelle Gruppierungen aufgelöst worden.
Selenskij: Ans Meer und Bier trinken
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij hat von seinen Plänen für die Zeit nach dem Krieg mit Russland erzählt. "Ich will einfach ans Meer und mal ein Bier trinken", sagte der 44-Jährige gemäß ukrainischen Medien in einem im Voraus veröffentlichten Interview mit dem US-amerikanischen Show-Moderator David Letterman.
Das werde jedoch erst nach dem Sieg der Ukraine möglich sein. "Bis zu unserem Sieg werde ich aber Präsident sein", sagte der 2019 gewählte Staatschef.
Selenskij glaubt nicht an Atomwaffeneinsatz
Gleichzeitig hält Selenskij ein schnelles Kriegsende für möglich, sollte der russische Präsident Wladimir Putin plötzlich sterben. Autoritäre Regime seien auf eine Person zugeschnitten. "Wenn dieser Mensch geht, dann stehen die Institutionen still. Eine solche Zeit war in der Sowjetunion. Alles blieb stehen", behauptete Selenskij. Russland wäre beim Tod des 70-jährigen Putin zuerst einmal mit sich selbst beschäftigt.
Selenskij glaubt demnach auch nicht, dass Putin Atomwaffen einsetzen könnte. "Ihm ist klar, dass, wenn er sie einsetzt, das für ihn persönlich Konsequenzen haben würde", unterstrich der Ukrainer. Putin liebe das Leben zu sehr, als dass er diesen Schritt wagen würde.
Kiew befürchtet neue Raketenangriffe
Heute notdürftig repariert und geflickt, morgen schon wieder zerschossen - die Reparaturen am ukrainischen Stromnetz sind die reinste Sisyphus-Arbeit. Das russische Militär hält nach den Worten des ukrainischen Präsidenten an seiner bisherigen Taktik der gezielten Angriffe gegen das ukrainische Energienetz fest.
"Nach jedem russischen Angriff stellen wir das System wieder her, soweit wie möglich“, sagte Selenskij am Montagabend in seiner täglichen Videoansprache. Es werde alles getan, um neue Ausrüstung ins Land zu bringen und die Schäden zu reparieren.
Dennoch sei zu bedenken, dass Russland seine Taktik nicht aufgegeben habe. „Das Ausbleiben massiver Raketenangriffe bedeutet nur, dass sich der Feind auf neue vorbereitet und jederzeit zuschlagen kann“, sagte Selenskij.
Kämpfe um Bachmut und Awdijiwka dauern an
Die schweren Kämpfe um die Ortschaften Bachmut und Awdijiwka im Donbass im Osten der Ukraine dauern nach Anhaben aus Kiew an. Dort seien mehrere Vorstöße russischer Truppen abgewehrt worden, teilte der ukrainische Generalstab am Montagabend mit. Aus Cherson im Süden der Ukraine wurden mehrere Angriffe mit russischen Mehrfachraketenwerfern gemeldet. Dort habe es Tote und Verletzte gegeben, hieß es. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Bei mehreren Angriffen der ukrainischen Luftstreitkräfte und der Rohr- und Raketenartillerie seien russische Truppen und auch Panzerfahrzeuge ins Visier genommen worden, hieß es weiter aus Kiew. Allerdings machten die Militärs keine näheren Ortsangaben.
Russland hat noch rund 360 Marschflugkörper
Nach Einschätzung des ukrainischen Militärgeheimdienstes verfügt Russland noch über ein Arsenal von rund 360 Marschflugkörpern. Dies würde für mindestens fünf Angriffswellen reichen, sagte Sprecher Vadim Skibizkyj.
Die russischen Streitkräfte greifen seit Wochen die gesamte Energie-Infrastruktur gezielt mit Raketen und sogenannten Kamikaze-Drohnen an.
Dadurch sind massive Ausfälle der Wasser- und Stromversorgung an der Tagesordnung. Mit dieser Taktik soll vor allem die Zivilbevölkerung im Winter zermürbt und Unruhe geschürt werden.
Der britische Premierminister Rishi Sunak sprach in diesem Zusammenhang am Montag von einer „zynischen Taktik“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin und „barbarischen Angriffen gegen kritische nationale Infrastruktur“.
Selenskij schlägt Russland Abzug zu Weihnachten vor
Selenskij schlug Moskau indirekt vor, die Besatzungstruppen ab Weihnachten aus der Ukraine abzuziehen. Mit diesem Schritt könne Russland seine wahren Absichten erkennen lassen, sagte Selenskij in einer Videoschalte zum Gipfel der G7 in Berlin am Montag.
Sollte Russland seine Armeen aus der Ukraine abziehen, würde dadurch eine zuverlässige Einstellung der Kampfhandlungen erreicht. „Und ich sehe keinen Grund, warum Russland dies nicht jetzt tut, zu Weihnachten. Die Antwort aus Moskau wird zeigen, was man dort wirklich will“, wurde Selenskij weiter von der Staatsagentur Unian zitiert.
Kommentare