"Sehen Ficos Ende – als Live-Übertragung"

Die Proteste gegen die Regierung werden immer massiver: In Bratislava, aber auch in anderen Städten .
Journalistenmord: Premier immer heftiger unter Druck. Innenminister als nächster Rücktrittskandidat?

Auf dem gänzlich überfüllten Hauptplatz von Bratislava war man sich Sonntag Abend einig. "Fico, Mörder" lautete der offene Vorwurf auf den Transparenten. Und auf der Bühne wandte sich ein slowakischer Rapper direkt an den slowakischen Premier und seine Regierung: "Ihr habt alle Blut an den Händen".

Nicht nur bei Protestkonzerten wie diesem entlädt sich in diesen Tagen die Wut auf die slowakische Regierung. Der Mord an dem Enthüllungs-Journalisten Ján Kuciak und dessen Verlobter hat das Land in den politischen Ausnahmezustand versetzt. Schließlich führen die Spuren des Verbrechens zur italienischen Mafia. Deren Geschäfte in der Slowakei und die dazugehörigen Verbindungen zur Regierung in Bratislava hat Kuciak recherchiert – und musste offensichtlich dafür sterben.

Präsident gegen Premier

Schon in der Vorwoche mussten Kulturminister Marek Madaric und Ficos engste Vertraute in der Regierung, Maria Troskova, gehen. Troskova gilt ja nach Kuciaks Recherchen als die Verbindungsfrau zur Mafia.

Doch mit diesen Bauernopfern lässt sich die Krise nicht beilegen. Staatspräsident Andrej Kiska, ein politscher Gegner des Premiers, erklärte am Wochenende, die Krise könne nur durch eine umfassende Regierungsumbildung oder durch Neuwahlen gelöst werden. Fico reagierte empört, warf dem Präsidenten offen vor, ein Helfershelfer der Opposition zu sein und lehnte Neuwahlen kategorisch ab.

Doch weitere politische Konsequenzen scheinen unausweichlich. Slowakische Medien kalkulieren offen mit dem baldigen Rücktritt von Innenminister Robert Kalinak – aller Voraussicht nach in den kommenden Tagen. Schließlich ist der Parteikollege des Premiers für die jahrelange Untätigkeit der slowakischen Sicherheitskräfte angesichts der Mafia-Aktivitäten im Land verantwortlich. Die Forderung nach Kalinaks Rücktritt kommt mittlerweile nicht mehr allein aus der Opposition, sondern auch aus Teilen der Regierung. So verlangen zahlreiche Abgeordnete und sogar Ministerkollegen von Kalinak, die politische Verantwortung zu tragen.

Gefährlich für Fico könnten vor allem die Abgeordneten seines Koalitionspartners, der Partei der ungarischen Minderheit, "Most-Hid", werden. Dort denkt man bereits laut darüber nach, aus der Regierung auszusteigen.

Damit hätte Fico keine Mehrheit im Parlament mehr und stünde vor dem Fall. Die bürgerliche Zeitung Hospodarske noviny geht inzwischen schon so weit, den Rücktritt in Kommentaren offen einzufordern. Andere Medien sind weniger radikal, dafür aber umso bösartiger: "Wir sehen Ficos Ende als Live-Übertragung."

Kommentare