Auf den Stufen zum Hochaltar des Veitsdoms steht ein schlichter Sarg. Er enthält die Urne mit der Asche des am 12. November in Wien verstorbenen Karel Schwarzenberg. Der Sarg ist mit einer blau-weißen Fahne bedeckt, den Farben der traditionsreichen Familie.
Großer Andrang
Sie schmücken auch die Kränze der Angehörigen. Die Kränze der politischen Institutionen auf der linken Seite leuchten hingegen in den Landesfarben blau-weiß-rot. Vor dem Sarg sind zwei seiner zahllosen Orden ausgestellt. Einer von ihnen ist der Weiße Löwe, die höchste staatliche Auszeichnung der Tschechischen Republik. Sonst gibt es in der bis auf den letzten Platz gefüllten Kathedrale keinerlei Schmuck. So hatte es sich Karel Schwarzenberg gewünscht.
➤ Ein Kämpfer für Demokratie und Menschenrechte: Karel Schwarzenberg ist tot
Auf dem Prager Hradschin, wo er die glücklichsten Tage seines Lebens verbrachte, wurde an diesem Samstag um 12 Uhr die Totenmesse für Karel Schwarzenberg gelesen.
In der benachbarten Burg war er nach der Samtenen Revolution von 1989 seinem Freund Vaclav Havel als Kanzler zur Seite gestanden. Im nahe gelegenen Palais Czernin hatte er seiner Heimat zweimal als Außenminister gedient. 2013 hatte der „Fürst“, wie er von vielen genannt wurde, die Präsidentenwahl und damit den Einzug als Hausherr in die Burg nur knapp verfehlt. Der amtierende Staatspräsident Petr Pavel befindet sich ebenso unter den geladenen Gästen wie seine slowakische Amtskollegin Zuzana Čaputová und Schwarzenbergs ewiger Rivale Miloš Zeman. Mit ihm hat er sich noch wenige Monate vor seinem Tod versöhnt. Auch zahllose Vertreter des europäischen Hochadels sind angereist – aus Liechtenstein, Luxemburg, Monaco und vielen anderen Staaten.
„Staatliche Ehren“
Karel Schwarzenberg war tiefgläubiger Christ, überzeugter Europäer und tschechischer Patriot.
Das merkt man der von ihm selbst maßgeblich mitgeplanten Zeremonie an. Ursprünglich sollte sie in der Salvatorkirche in der Prager Altstadt stattfinden. Doch die große Zahl der geladenen Gäste machte eine Verlegung in den gotischen Dom notwendig. Einen pompösen Staatsakt lehnte Schwarzenberg ab, so wurde es ein Begräbnis mit „staatlichen Ehren“. Schwarzenberg ersuchte auch, von Kränzen und Blumen abzusehen und stattdessen für die „Verteidigung der Ukraine“ und für die „Werke des Souveränen Malteserordens“ zu spenden, dessen Ehrenritter er war.
Würdigungen
Eine doppelte Botschaft des ewigen Russland-Skeptikers und engagierten Katholiken – über den Tod hinaus. Auf seinen Wunsch hin zelebriert der Prager Erzbischof Jan Graubner gemeinsam mit vier weiteren Bischöfen die Totenmesse in tschechischer Sprache. Schwarzenbergs Freund, der Priester und Philosoph Tomáš Halík, hält die Trauerrede. Er würdigt die Rolle der Familie Schwarzenberg im Widerstand gegen die Nazis und später das Engagement Karel Schwarzenbergs gegen die kommunistische Willkürherrschaft. Seinen Freund bezeichnet Halík als „Erzieher der tschechischen Nation“. Ob für Demokratie und Menschenrechte, Kultur und Wahrhaftigkeit – Schwarzenberg habe mit seinem Leben ein Beispiel gegeben: „Wir werden seine Werte weiter hochhalten. Wir bleiben ihm ewig treu.“ Die Fürbitten werden von Vertrauten des Fürsten gelesen. Zwei der Bitten sprechen Herzensanliegen des Verstorbenen aus: für alle, die ihre Heimat verlassen müssen und mussten, sowie für den Schutz des Planeten.
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„Kumpel“ und „Fürst“
Staatspräsident Petr Pavel hebt in seiner Rede die „Menschlichkeit und Liebenswürdigkeit“ Schwarzenbergs hervor und seine enorme Erfahrung. Auch er selbst habe ihn im neuen Amt um Rat gefragt: „Es hat uns eine große Persönlichkeit verlassen.“ Für einen berührenden Moment sorgt Salesianer-Pater Ladislav Heryan, der den „Herrn Fürst“ einmal als seinen „Kumpel“ bezeichnet hat. Er nimmt die Einsegnung vor, greift danach zur Gitarre und stimmt ein mährisches Volkslied an, das Schwarzenberg sehr geliebt hat. Auf ausdrücklichen Wunsch des Verstorbenen singen am Ende alle gemeinsam „Narodil se Kristus Pán“, ein populäres tschechisches Weihnachtslied, sowie die tschechoslowakische Nationalhymne.
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Applaus am Straßenrand
Schwarzenberg hat die Trennung der beiden Staaten immer als Fehler empfunden. Als sein Sarg aus dem Dom getragen wird, ertönen 34 Schläge der Zikmund-Glocke, der größten Glocke des Landes – ein Schlag für jedes Jahr seit der Samtenen Revolution. Der anschließende Kondukt führt vorbei am Palais Schwarzenberg und am Palais Czernin, wo ein kurzer Halt an das Wirken Schwarzenbergs als Außenminister erinnert. Viele Menschen am Straßenrand applaudieren. Die eigentliche Beisetzung findet erst heute, Sonntag, im engsten Kreis in der Familiengruft von Schloss Orlik in Südböhmen statt.
Abschied in Wien
An diesem Sonntag wäre Karel Schwarzenberg 86 Jahre alt geworden. In Wien, wo er lange gelebt hat, wird am 16. Dezember ein Requiem im Stephansdom abgehalten, zu dem nur geladene Gäste zugelassen sind. Die tschechische Bevölkerung hatte schon von 6. bis 8. Dezember Gelegenheit gehabt, sich persönlich zu verabschieden. In der Kirche Sankt Maria unter der Kette auf der Prager Kleinseite war der Sarg drei Tage lange aufgebahrt. Eintragungen in das Kondolenzbuch zeigen, wie der Fürst wohl vielen in Erinnerung bleiben wird: „Er hat nie gelogen.“ – „Ein wahrer Patriot.“ – „Er hatte Humor.“ – „Er ist nicht ersetzbar.“
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Seine strikt proeuropäische und liberale Partei Top09 dürfte es laut Umfragen dennoch nicht mehr in das nächste Parlament schaffen. Denn ihre prominenteste Stimme, die sich immer gegen überschießende EU-Kritik gewandt hatte, ist verstummt. Und in tschechischen Medien wird auch bezweifelt, ob die Familie Schwarzenberg jemals wieder ein so starkes, nach außen wirksames Oberhaupt haben wird.
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