Iran gegen Israel: Wie viele Schritte sind es noch bis zur Atombombe?
Eine Woche? Ein Monat? Maximal ein Jahr? Wann der Iran seine erste Atombombe vollendet haben wird – darauf gib es keine klare Antwort. Gewiss ist hingegen: Der Mullah-Staat arbeitet unablässig auf seine nukleare Bewaffnung hin – auch wenn das Regime in Teheran dies stets bestreitet. Sicher ist auch: Der Tag, an dem der Iran seine Bombe vollendet, wird die Kräfteverhältnisse im Nahen Osten massiv verändern. Und Israels Leben unendlich schwerer machen. Denn mit einer Atombombe käme der Mullah-Staat seinem Ziel – der Vernichtung des jüdischen Staates – ein bedrohliches Stück näher.
„Unmittelbar“, meint auch Ulrich Schlie, Experte für Sicherheits- und Strategieforschung an der Uni Bonn, stehe der Iran vor der Atombombe. Zu stoppen sei dieser Prozess kaum noch, meint er im Gespräch mit dem KURIER.
Vor mehr als 20 Jahren hatte das Mullah-Regime im Geheimen mit der Entwicklung von Nuklearwaffen begonnen. Strenge internationale Wirtschaftssanktionen bremsten Teheran kaum.
Ebenso wenig wie die gezielte Tötung iranischer Atomwissenschaftler durch Israel. Nur ein großer Cyberangriff („Stuxnet“), der ebenfalls von Israel ausging, warf die iranischen Fortschritte um einige Jahre zurück.
Und als 2015 in Wien nach jahrelangem Ringen der internationale Atom-Iran-Deal festgezurrt wurde, war die Hoffnung groß: Der Iran würde so streng kontrolliert werden, dass eine geheime, nukleare Ausrüstung nicht mehr möglich wäre.
Drei Jahre später war diese Hoffnung dahin, Ex-US-Präsident Trump schoss den Deal in den Wind – und seither rüstet der Iran wieder mit voller Kraft auf.
Waffenfähiges Material
In ihrem jüngsten Bericht stellte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien mit großer Besorgnis fest: Der Iran habe bereits rund 120 Kilogramm an 60-Prozent hoch angereichertem Uran vorrätig. Es ist waffenfähiges Material. Wird es auf 90 Prozent weiter angereichert, reichen laut Experten 50 Kilogramm für eine Atombombe.
Kann der Iran davon noch abgehalten werden? „Ein wirksames militärisches Vorgehen, etwa durch israelische Raketenangriffe auf iranische Atomanlagen, würde massive Militärschläge mit der Gefahr einer weiteren Eskalation nach sich ziehen“, glaubt Ulrich Schlie. Zudem gebe es mangels umfassender Kontrollen durch die IAEO derzeit auch „kein vollumfängliches Lagebild“ über den Entwicklungsstand der iranischen Nuklearwaffenambitionen.
Im Gegenteil: „Die Atomagentur hat nur Einsicht in die Anlagen und Materialien, die der Iran auch freigibt“, sagt der Nuklearexperte Pavel Podvig, der am UN-Institut für Abrüstungsforschung arbeitet. Zwar gebe es noch ein gewisses Restvertrauen, doch das werde mit der Zeit immer weniger.
Iran kokettiert mit der Bombe
Die Bestandteile für den Bau einer Bombe hat der Iran jedenfalls parat, das Uranerz werde im eigenen Land abgebaut, die Technologie sei vermutlich auch vorhanden, sagt Podvig. „Es gibt keine ernsthaften technischen Hindernisse mehr. Die Barrieren sind nur mehr politisch.“
Damit kokettiert Teheran auch öffentlich, auch wenn der Staat offiziell noch Mitglied des Atomwaffensperrvertrag ist. So sagte Ali Akbar Salehi, Ex-Außenminister und einst Verantwortlicher für das nationale iranische Atomprogramm, im Vorjahr in einem TV-Interview: „Was braucht ein Auto? Fahrgestell, Motor, Getriebe, ein Lenkrad. Haben wir alle Teile gebaut? Ja, jedes Teil erfüllt seinen eigenen Zweck.“ Im Klartext: Alle Teile für eine Bombe seien vorhanden, sie müssten jetzt nur noch zusammengefügt werden.
Das aber ist deutlich schwieriger, als es sich zunächst anhört. Erst muss eine zündbare Bombe gebaut werden, dafür muss die Vorrichtung massiv verkleinert und auf einer Trägerrakete angebracht werden. „Das ist keine triviale Aufgabe“, sagt Podvig, „und das dauert“. Zwar könne das Material im allerschlechtesten Fall binnen Wochen oder Monaten explosionsfähig gemacht werden, aber um damit ein anderes Land zu bombardieren, benötige es deutlich mehr Zeit und Vorbereitung. „Dort ist der Iran noch nicht.“
Dazu kommt die Frage, ob der Bau einer einzelnen Bombe dem Land überhaupt reiche. Sieht man sich den jüngsten Angriff auf Israel an, lautet die Antwort nein: Die Rakete würde wohl vom Iron-Dome-System abgefangen werden, und das gesamte atomare Drohpotenzial der Mullahs wäre dahin.
Es geht ums Drohpotenzial
Dem Iran gehe es ohnehin um das, was im Kopf des Gegners ablaufe, sagt Podvig. Er glaubt, dass die Mullahs – sollten sie sich zum Bau einer Bombe entscheiden – das auch öffentlich machen werden; sie würden aus dem Atomwaffensperrvertrag austreten. „Der Wert von Atomwaffen besteht ja darin, dass jeder weiß, dass man sie hat. Wenn man sie im Verborgenen hält, bringt das nicht viel“, sagt er.
Tests wie in Nordkorea, um die Einsatzfähigkeit der Bombe zu demonstrieren, seien deshalb auch nicht nötig. Sie könnten sogar das Gegenteil bewirken: Ein Test, der schief laufe, stärke nur den Gegner.
In Jerusalem ist man sich dieser Psychospiele natürlich bewusst. Aber nicht nur Israel, meint Experte Schlie, habe Grund zur Sorge. „Wir alle müssen uns vor einem nuklear bewaffneten Iran in Acht nehmen.“
Warum aber würde der Mullah-Staat überhaupt einen anderen Staat mit einer Atombombe angreifen – wohl wissend, dass die nuklearen Gegenschläge auch für den Iran vernichtend wären? „Die Mullahs in Teheran sind nicht kalkulierbar, sie gehen ja schon gegen die eigene Bevölkerung mit äußerster Härte und Brutalität vor“, sagt Schlie. „Auf einen rationalen Zugang nach dem Motto: ,So etwas passiert einfach nicht‘ kann man sich nicht einfach verlassen.“ Er bringt den Vergleich: „Wenn Ihr Nachbar Kampfhunde züchtet und Ihr Gartenzaun löchrig ist, dann wird Ihnen die Versicherung nicht viel nützen, dass es alle brave und liebe Tiere seien – es sei denn, Sie sind unglaublich naiv“.
Kommentare