Scholz besucht Turbine, Söder ein AKW: "Und wann umarmt Habeck ein Windrad?"
"Ich konnte es mit eigenen Augen sehen." So leitete der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinen Besuch bei der viel diskutierten Turbine im Siemens-Werk am Mittwoch in seinem Post auf Twitter ein. Dazu gab es Fotos von Scholz vor und neben der Turbine, alleine oder im intensiven Gespräch mit einem Kollegen. Scholz wollte die Turbine begutachten, sich von ihrer sofortigen Einsetzbarkeit und Funktionstüchtigkeit überzeugen.
Es scheint, als wollte die Oppositionspartei dem Kanzler den alleinigen Ruhm vor einem derart wichtigen technischen Gerät, das gerade für immense öffentliche Aufmerksamkeit sorgt, nicht gönnen. Prompt folgten Fotos von CSU-Chef Markus Söder und CDU-Chef Friedrich Merz, wie sie am Donnerstag das Atomkraftwerk Isar 2 bei Landshut in Bayern besuchen. Die Debatte dahinter: eine längere Laufzeit von Atomkraftwerken in Deutschland angesichts der drohenden Gasknappheit.
Bereits am Mittwoch amüsierte sich das Netz über die Fotos Scholz' vor der Turbine; auch Merz und Söder kamen nicht ohne Spott davon. Auch in den Medien wurden die Besuche hinterfragt: Im täglichen Zeit-Podcast "Was jetzt?" fragt man sich schon, wer als Nächster dran ist: "Christian Lindner, der in der Porsche-Fabrik ein Auto streichelt? Oder Robert Habeck, der ein Windrad umarmt oder ein Solarpanel runterrutscht? Wir sind jedenfalls vorbereitet."
Hinter den Symbolbesuchen stecke natürlich noch mehr als der Test der Funktionsfähigkeit, vermuten Journalisten: Selbstinszenierung, die Darstellung innerparteilicher Einigkeit und zwischenparteiliche Machtkämpfe. "Die Atomdebatte bietet CDU und CSU Möglichkeit, die Grünen in Bedrängnis zu bringen", schreibt etwa die tagesschau.
Selbstdarstellung und Machtkämpfe
Sich selbst versuchen Söder und Merz als geeinte Stimme der Vernunft zu inszenieren. Die unausgesprochene K-Frage (Mit welchem Kanzlerkandidaten zieht man in den nächsten Bundestagswahlkampf: Merz oder Söder?) scheint an diesem Tag vergessen, so die tagessschau.
Hingegen dürfte Scholz seinen Lokalaugenschein im Siemens-Werk auch dafür genutzt haben, um (Noch-)Parteigenossen und Altkanzler Gerhard Schröder – ohne explizit seinen Namen zu nennen – öffentlich auszubooten. Am Mittwoch erschien ein stern-Interview, in dem Schröder behauptete, Siemens trage die Schuld an der Gasdrosselung durch Nord Stream 1 und der dauernden Wartung der Turbine, nicht der Kreml. Scholz ließ Schröder und Russland ausrichten: "Die Turbine kann geliefert werden. Es muss nur Jemand sagen, 'Ich möcht' sie haben', dann ist sie ganz schnell da."
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