Schengen plus Euro: Kroatiens verspätete Ankunft in Europa

Schengen plus Euro: Kroatiens verspätete Ankunft in Europa
Notizen von einem Pendler, der am Neujahrstag zum ersten Mal ohne Reisepass von Zagreb nach Wien zurückreisen konnte.
Von Uwe Mauch

Mehr als dreißig Jahre lang gab es dieses lähmende Ritual am slowenisch-kroatischen Grenzbahnhof Dobova: Der Reihe nach marschierten sie durch die Züge – slowenische und kroatische Polizisten.

Leicht verwechselbar waren sie ob desselben Dunkelblaus der Uniformen. Die Slowenen immer leicht forscher als ihre kroatischen Kollegas. So wie vor zwanzig Jahren Österreichs Grenzer in Spielfeld, als dort noch die Schengen-Außengrenze verlief.

Schengen plus Euro: Kroatiens verspätete Ankunft in Europa

Ehrlich, Freunde, ihr geht wohl kaum jemanden ab. Freie Fahrt nach Kroatien! Die verkündete am Neujahrstag auch die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, am großen Grenzübergang Bregana.

Nur wenige Tage zuvor war in Brüssel entschieden worden: Ab 1. Jänner 2023 darf das beliebte Urlaubs- und Investitionsland der Österreicher dem Schengenraum beitreten. Die oft nervigen Kontrollen an den kroatischen Grenzübergängen sind somit Geschichte.

Schengen plus Euro: Kroatiens verspätete Ankunft in Europa

Kritik an Österreich

Die Wortmeldung des österreichischen Innenministers Gerhard Karner, der noch kurz vor der EU-Abstimmung gefordert hatte, Kroatien den Schengen-Beitritt zu verwehren, hat Premierminister Andrej Plenković von der ÖVP-Schwesterpartei HDZ elegant überhört. Kroatiens Medien reagierten indes mit deutlich weniger Verständnis.

Führende österreichische Wirtschaftstreibende in Zagreb sprachen sogar von einem Imageschaden. Nicht zum ersten Mal: Die Urlauber-Rückhol-Aktion des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz („Das Virus kommt mit dem Auto“) hat im Sommer 2020 nicht nur in Tourismus-Betrieben für Kopfschütteln und einigen Ärger gesorgt.

Alles in allem mögen sie uns „Alpen-Schwabos“ aber.

Speziell in Zagreb wird immer noch die gemeinsame Geschichte in der Monarchie bemüht, an der Adria freut man sich über die zahllosen verlässlichen, finanzstarken Urlauber aus dem nördlichen Fast-Nachbarland. Und jeder und jede kennt jemanden, der „oben“ arbeitet und dort gute Euro verdient, wovon in ganz Kroatien auch zu diesen aktuellen Feiertagen schöne Autos mit österreichischen Kennzeichen zeugten.

Österreich ist zudem seit der Gründung der Republik Kroatien im Jahr 1991 de facto der wichtigste Auslandsinvestor. Apropos 1991: Alois Mock, dem damaligen Außenminister der ÖVP, ist man bis heute zu Dank verpflichtet, ebenso seinem deutschen Ressortkollegen Hans-Dietrich Genscher.

Beide wollten Kroatien früher als die meisten anderen Politiker in Europa als eigenen Staat anerkennen.

Tosender Jubel so wie bei der Rückkehr der bei der WM in Katar erfolgreichen Fußballer wollte zum Jahreswechsel in Kroatien aber nicht aufkommen. Freunde, Bekannte, langjährige Kollegen in Zagreb sprechen eher von Erleichterung. Die Reaktionen zu Schengen sind immerhin positiver als jene zum zeitgleich eingeführten Euro.

Kritik am Grenzregime

Es gab zuletzt nicht nur von außen Missfallen an der Arbeit der kroatischen Grenzpolizei auf der sogenannten „Balkanroute“. Die harsche Kritik nationaler und internationaler Menschenrechtsorganisationen zielt jedoch in eine ganz andere Richtung.

Die Zivilgesellschaft hat seit der Flüchtlingswelle 2015 illegale Pushbacks vonseiten Kroatiens penibel dokumentiert. Dessen ungeachtet ist die Zahl jener Menschen, die es via Bosnien und Herzegowina in das jüngste EU-Land geschafft haben, zuletzt wieder deutlich angestiegen.

Schengen plus Euro: Kroatiens verspätete Ankunft in Europa

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Schengen plus Euro: Kroatiens verspätete Ankunft in Europa

Schengen plus Euro: Kroatiens verspätete Ankunft in Europa

Österreichische Urlauber werden von den Flüchtlingsströmen nichts mitbekommen. Sie werden bis auf Weiteres nur vor den Mautstellen der kroatischen Autobahngesellschaften im Stau stehen.

Auch wenn in Dobova die Grenzkontrolle heute wegfällt, warten die Reisenden in den wenigen internationalen Zügen aus und nach Kroatien weiterhin eine halbe Stunde auf die Weiterfahrt. Für die wenigen Kilometer zwischen Dobova und Zagreb müssen nämlich auch weiterhin die Loks getauscht werden.

Euro hin, Schengen her, Kroatiens Eisenbahngesellschaft HŽ sowie die Verkehrspolitik hier sind vom Klimaschutz, leider, weiter entfernt als Dubrovnik von Brüssel.

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