KURIER: Wie ist denn die allgemeine Stimmung so kurz vor der Euro-Einführung?
Sonja Holocher-Ertl: Weil der Euro in einer Zeit generell hoher Inflation eingeführt wird, besteht ein wenig die Gefahr, dass er ungerechtfertigt für den Anstieg der Preise verantwortlich gemacht wird.
Ist das nicht so?
Die kroatische Nationalbank geht davon aus, dass der Euro die Inflation nur gering antreiben wird. Man orientiert sich da an den Euro-Einführungen in der Slowakei, in Slowenien und den baltischen Staaten, wo die Preiserhöhung bei weniger als 0,5 Prozent lag. Aktuell liegt Kroatien bei der Inflation in etwa im Mittelfeld der EU-Staaten.
Wie steuert die kroatische Politik den Ängsten der Leute entgegen?
Schon seit dem 5. September müssen in Kroatien Preise in beiden Währungen ausgezeichnet werden – das wird auch im ganzen Jahr 2023 beibehalten. Damit sollen Bürgerinnen und Bürger einfacher überprüfen können, ob die Preise entsprechend dem festgelegten Kurs korrekt konvertiert wurden.
Was bedeutet der Euro für die Kreditnehmer?
Viele Kredite in Kroatien sind schon jetzt Euro-Kredite, hier ändert sich nichts. Bestehende Kuna-Kredite werden zum offiziellen Kurs in Euro konvertiert, den Kreditnehmern darf daraus kein Nachteil erwachsen.
Und wie sieht es bei neuen Kreditvergaben aus?
Auch da wird sich nicht viel ändern. Bei den Fixzinskrediten bleibt der Zinssatz unverändert, und bei Kuna-Krediten mit variablen Zinssätzen wird der Referenzzinssatz gewählt, der am besten entspricht. Das Privatkundengeschäft wird zum Großteil in Euro erfolgen, Fremdwährungskredite im Privatkundengeschäft sind selten geworden. Bereits positiv für Kreditnehmer in Kroatien sind die vergleichsweise stabilen Zinssätze, die mit dem Euro einhergehen.
Für die Banken fällt aber ein wichtiges Geschäftsfeld weg.
Die Banken sind doppelt gefordert. Die Einführung des Euro ist eine große Herausforderung, die mit hohen Kosten und hohem Personaleinsatz verbunden ist. Die Vorbereitungen, um sicherzugehen, dass die IT-Systeme und so weiter rechtzeitig umgestellt sind, haben bei den meisten Banken daher schon vor mehr als einem Jahr begonnen.
Zusätzlich fallen sie um die Wechselkursgebühren um.
Ja, allerdings wird es durch den Euro Zugang zu anderen und höherwertigen Bankprodukten geben.
Zum Beispiel?
Es wird mehr Möglichkeiten bei Fondsveranlagungen und bei innovativen Veranlagungsprodukten geben, die bis dato mit der Kuna nicht verfügbar waren. Auch bei Absicherungsinstrumenten, zum Beispiel für Zinssatzabsicherung, gibt es mit dem Euro viel mehr Optionen. Kroatiens Wirtschaft wird generell vom Euro profitieren. Das kommt allen Sektoren zugute, auch den Banken.
Hilft der Euro auch den österreichischen Niederlassungen in Kroatien?
Die sehen den Euro durchwegs als positiv an. Auch wenn die Einführung für manche Kosten verursacht, so profitieren sie doch langfristig von der Reduktion der Transaktionskosten, vom Wegfall des Währungsrisikos und damit auch von teuren Währungsabsicherungen und von der Zinssatzstabilität.
Wie wird sich die Handelsbilanz in Kroatien insgesamt entwickeln?
Fast 70 Prozent der Warenexporte Kroatiens gehen in die EU, mehr als die Hälfte in Euro-Länder. Umgekehrt kommen annähernd 80 Prozent der Warenimporte Kroatiens aus der EU und mehr als die Hälfte aus der Euro-Zone. Auch zwei Drittel der Dienstleistungsexporte gehen in die EU und rund 55 Prozent in Euro-Länder. Der Euro wird sich positiv auf den Außenhandel Kroatiens auswirken.
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