„Potenzial für Wachstum“
Der KURIER startet seine kleine Umfrage im Büro eines Landsmanns: Christoph Schöfböck leitet die Niederlassung der Erste & Steiermärkische Bank in Zagreb. Er hat von Berufs wegen also viel mit Geld zu tun.
Die Mitgliedschaft Kroatiens in der Eurozone ab 1. Jänner 2023 sieht der Niederösterreicher durchaus differenziert: „Für die Banken bedeutet das kurzfristig einen sehr komplexen technischen Vorbereitungsprozess.“ Jedoch würden auf lange Sicht die Vorteile überwiegen. Dezidiert nennt Schöfböck: „Stabilität, leichtere Geschäftsabwicklung zu geringeren Kosten sowie ein neues Potenzial für Wachstum, vor allem im Außenhandel und im Tourismus.“
Vom Tourismus lebt zum Teil auch die Zagreber Managerin Ana Marija Lenardić Janeš. Mit ihrer Mutter vermietet die 36-Jährige Appartements südlich der dalmatinischen Hafenstadt Zadar, ihr Mann führt indes in Zagreb zwei angesehene kleine Restaurants. Lenardić Janeš freut sich auf die Abkehr von der kroatischen Kuna: „Weil unsere Gäste aus dem Ausland, insbesondere jene aus Euro-Ländern, und auch wir Kroaten nicht mehr zwischen zwei Währungen hin- und herrechnen, extra Wechselspesen zahlen müssen und im Sommer aufgrund des oft schlechteren Wechselkurses Geld verlieren.“
Ana Marija Lenardić Janeš freut sich auch für jene, die Kredite in Euro aufgenommen haben: „Sie müssen sich keine Sorgen mehr machen, dass sich der Wechselkurs von Monat zu Monat verändert.“
Das von den Verbrauchern lange befürchtete Anziehen der Preise sei dagegen bereits voll im Gang. Für die Wirtschaft sieht die Managerin immerhin „eine Stabilisierung unserer Währung und mehr Anerkennung in der Welt“.
Damit werde ihr Land auch für ausländische Investoren attraktiver. Was sie speziell für Gastronomie und Hotellerie freut: „Jeder kann die Preise im Ausland leichter mit unseren vergleichen.“
„Keine Mittelschicht“
Weit weniger optimistisch sieht Mladen Pankrac dem Euro entgegen. Der heute 72-Jährige war vor seiner Pensionierung jahrelang Tonmeister beim staatlichen kroatischen Radio in Zagreb. Mit seiner Angst („Weil wir nun einmal Balkaner sind“) verbindet Herr Pankrac auch eine konkrete Hoffnung: „Dass alles ehrlicher wird, und dass der Euro auch uns Frieden und Stabilität bringt.“
Für das eigene Einkommen erwartet der in sich ruhende Zagreber Pensionist keine einschneidenden Veränderungen. Wobei: Mit einer durchschnittlichen monatlichen Pension von nicht einmal 350 Euro (zwölf Mal pro Jahr, nicht 14 Mal wie in Österreich) ist das Gefälle zu anderen EU-Ländern riesig.
Daher sagt Mladen Pankrac auch: „Wir haben in Kroatien keine Mittelschicht mehr, die Reichen werden immer reicher, und die Armen werden immer mehr im Müll wühlen müssen.“
Vito Penić hat schon während seiner Schulzeit Clubbings in der kroatischen Hauptstadt organisiert. Heute führt der 26-Jährige ein Unternehmen mit mehreren Mitarbeitern. Penić sieht auf Kroatien, vor allem aber auf sein Business während des Umstellungs- und Anpassungsprozesses gröbere Probleme zukommen. Mit Sorge verfolgt er die Berichte, wonach die Preise – „teils ungerechtfertigt“ – auch in der Gastronomie steigen werden. „Wodurch die Kaufkraft meiner Gäste weiter geschwächt wird.“
Allgemein fürchtet Vito Penić Inflation und steigende Verschuldung. Auf der anderen Seite könnten sich die Anpassung an die europäische Finanzpolitik, der vereinfachte internationale Einkauf und der Wegfall von Wechselkosten positiv auf den Tourismussektor auswirken.
Was auffällt: Kaum jemand weint der Kuna nach. Diese wurde erst am 30. Mai 1994 eingeführt. Doch bereits seit dem EU-Beitritt am 1. Juli 2013 orientiert man sich in Kroatien zunehmend am Euro.
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