Scharfe Kritik an Kanzler Scholz nach Abbas' Holocaust-Sager

Scharfe Kritik an Kanzler Scholz nach Abbas' Holocaust-Sager
Der Palästinenserpräsident hatte Israel in Berlin vorgeworfen, "50 Holocausts" an Palästinensern begangen zu haben. Scholz schwieg zunächst dazu - was sein Sprecher auf seine Kappe nahm.

Wieder einmal sorgt Schweigen des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz für Aufregung - diesmal in einer besonders heiklen Angelegenheit.

Bei einem Besuch in Berlin hatte Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas am Dienstag den Holocaust verharmlost, indem er sagte, Israel habe seit 1947 "50 Holocausts" an Palästinensern begangen - eine Aussage, die er mittlerweile nach anhaltender Kritik aus Deutschland, Israel und der EU relativierte (mehr dazu hier).

Gastgeber Scholz stand neben Abbas, als der Satz fiel, und schwieg. Erst am Abend kritisierte der SPD-Politiker Abbas' Aussage gegenüber der der Bild-Zeitung.

Am Mittwoch legte Scholz nach. "Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel. Ich verurteile jeden Versuch, die Verbrechen des Holocaust zu leugnen“, schrieb er auf Twitter.

Er reagierte damit auf scharfe Kritik aus Deutschland, aber auch aus Israel, an seinem anfänglichen Schweigen. Besonders deutlich war diese in der CDU. Parteichef Friedrich Merz sprach von einem "unfassbaren Vorgang im Kanzleramt".

Scholz hätte Abbas "klar und deutlich widersprechen und ihn bitten müssen, das Haus zu verlassen", twitterte er. CDU-Vizechefin Karin Prien schrieb mit Blick auf Scholz: "Zu wenig, zu spät".

Unterstützung bekam Scholz aus der FDP. Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff erklärte, eine breitere Öffentlichkeit erfahre nun endlich, "wie die Palästinenser und Abbas - Israels angebliche 'Partner' - drauf sind." Das sei wichtiger als Kritik am Bundeskanzler, dessen Empörung "klar sichtbar war."

"Ungeheuerliche Lüge"

Die israelische Online-Zeitung Times of Israel titelte bereits am Dienstagabend: "In Berlin sagt Abbas, Israel habe 'Holocausts' begangen; Scholz verzieht das Gesicht, bleibt aber still."

"Dass Mahmud Abbas Israel beschuldigt, ,50 Holocausts’ begangen zu haben, während er auf deutschem Boden steht, ist nicht nur eine moralische Schande, sondern eine ungeheuerliche Lüge", twitterte der israelische Premier Yair Lapid.

"Sechs Millionen Juden wurden im Holocaust ermordet, darunter anderthalb Millionen jüdische Kinder. Die Geschichte wird ihm das niemals verzeihen.“

Auch der Vorsitzende der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, Dani Dayan, meldete sich auf dem Nachrichtendienst zu Wort: "Die abscheulichen Worte von Mahmoud Abbas heute in Berlin über '50 Holocausts' sind entsetzlich. Die deutsche Regierung muss auf dieses unentschuldbare Verhalten im Bundeskanzleramt angemessen reagieren.“

Sprecher übernimmt Verantwortung

Mittwochnachmittag nahm dann der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit die Verantwortung für die späte Reaktion von Scholz auf den Holocaust-Sager. Die Pressekonferenz sei zu schnell beendet worden, der Kanzler bedauere es, nicht direkt auf die Äußerungen reagiert zu haben, sagte Hebestreit. „Da war ich nicht schnell genug, aufmerksam genug, um darauf zu reagieren. Das war mein Fehler und den muss ich auf meine Kappe nehmen.“

Der Bundeskanzler sei „empört und entsetzt über die Worte von Herrn Abbas“, so Hebestreit. „Eine Relativierung des Holocaust mit seinen mehr als sechs Millionen Toten ist völlig unakzeptabel. Dies auch noch auf deutschem Boden zu tun, unentschuldbar.“

Olympia-Attentat vor 50 Jahren

Scholz hatte Abbas am Dienstag im Kanzleramt empfangen. Bei der anschließenden Pressekonferenz wurde der Palästinenserpräsident nach einer möglichen Entschuldigung der Palästinenser für das Olympia-Attentat in München 1972 gefragt. Darauf antwortete er nicht, erhob aber stattdessen schwere Vorwürfe gegen Israel: "Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen", sagte Abbas: "50 Massaker, 50 Holocausts."

Am 5. September 1972 war ein palästinensisches Terrorkommando in das Münchner Olympiagelände eingedrungen und hatte dort Mitglieder der israelischen Mannschaft als Geiseln genommen. Bei der Geiselnahme und einer missratenen Befreiungsaktion starben elf israelische Sportler und ein deutscher Polizist.

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