Schallenberg auf Brexit-Mission: „Dann wird der Ärmelkanal immer größer“

Alexander Schallenberg (re.) mit dem britischen Brexit-Minister David Frost
Österreichs Außenminister erörterte in London mit Regierungsvertretern den EU-Austritt und pochte auf bilaterale Sicherheitskooperation.

Es sei ein „Filling-the-gaps-Trip“, also eine Reise zum Lückenfüllen, sagte er bei einem Treffen mit Journalisten an der österreichischen Botschaft in der britischen Hauptstadt London. Denn es gäbe viele Gebiete, die vom Brexit-Deal nicht abgedeckt seien, „gerade im Bereich Außenpolitik, Sicherheitspolitik, im Bereich Datenschutz, aber auch im Bereich Bildungspolitik“, betonte Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg am Montag.

„Wir wollten nicht, dass Großbritannien austritt“, aber Österreich akzeptierte die Entscheidung und wolle nach dem Brexit – Schallenberg sprach von „Selbstschwächung aller Seiten“ – die Beziehungen positiv gestalten. Denn: „Großbritannien ist ein wesentlicher Partner in dem, was ich die westliche Familie nenne.“ Deshalb wolle Österreich „im Sicherheitsbereich eine engere Zusammenarbeit“ sowie ein Abkommen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Schallenberg auf Brexit-Mission: „Dann wird der Ärmelkanal immer größer“

Treffen mit dem britischen Außenminister Dominic Raab

Auf Schallenbergs Route standen Treffen mit Außenminister Dominic Raab, Brexit-Staatsminister David Frost, und dem Vorsitzenden des außenpolitischen parlamentarischen Ausschusses, Tom Tugendhat.

Verständlich sei, dass es nach dem Brexit „Knirschgeräusche gibt, es im Gebälk kracht und es einen Gewöhnungsprozess braucht“, sagte Schallenberg. Er gab zu, das Nordirland-Protokoll sei innenpolitisch besonders schwierig für die britische Regierung. „Das haben sie aber von Anfang an gewusst“, betonte er. Eine EU-Bereitschaft zu Neuverhandlungen sah er dennoch nicht.

Sonderfall Nordirland

Frost hatte in der Vorwoche an die EU appelliert, bei Sonderregeln für Nordirland im Brexit-Vertrag einen „auf gesundem Menschenverstand basierenden und Risiko abwägenden Ansatz“ zu verfolgen. Protestantische Anhänger der Union fühlen sich durch die Brexit-Regelungen vom Rest des Königreichs abgeschnitten – im April hatte das zu Ausschreitungen geführt.

In Nordirland gelten Regeln des EU-Binnenmarkts weiter, um Warenkontrollen an der Grenze zu Irland und so ein Wiederaufflammen alter Konflikte zu verhindern. Dafür müssen bei der Einfuhr von Waren aus dem Rest Großbritanniens nach Nordirland Kontrollen stattfinden. Das bedeutet Schwierigkeiten bei verschiedenen Produkten, für die sich die EU und das Königreich den schwarzen Peter wechselseitig zuschieben. Johnsons Regierung setzte die Brexit-Vereinbarungen teilweise einseitig außer Kraft. Die EU sprach von Vertragsbruch und reichte Klage ein.

Langfristige Brexit-Risken

Schallenberg besprach aber auch langfristigere Brexit-Risiken. „Was mir Sorgen macht, sind die täglichen Schwierigkeiten, wie etwa im Kreativ- und Kulturbereich mit Drehgenehmigungen für Kamerateams“, erklärte er. „Dann wird der Ärmelkanal gedanklich und psychologisch immer größer werden, und das ist nicht in unserem Interesse.“

Auch das Thema der gehissten israelischen Flagge über dem Kanzleramt und dem Außenministerium kam vor Journalisten zur Sprache. Schallenberg verteidigte die Aktion: Aufgrund der Unruhen im Nahen Osten sei es „legitim gewesen, diesen eintägigen Akt der Solidarität zu setzen“, weil die Hamas eine Terrororganisation sei.

 

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