So war Mohammed bin Salman, der meist schlicht mit seinen Initialen „MbS“ abgekürzt wird, am Dienstag und Mittwoch auch in Athen zu Gast. Im Anschluss wird er nach Paris aufbrechen, wahrscheinlich am Donnerstag. Das französische Außenministerium bestätigte den Staatsbesuch am Mittwoch noch nicht, die Saudis ließen dagegen bereits durchsickern, dass der Kronprinz von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron im Élysée-Palast empfangen werden wird.
Seinen ersten Besuch auf europäischem Boden seit vier Jahren bezeichnete der Kronprinz als „Gamechanger“ und erklärte: „Der warme Empfang bedeutet mir und Saudi-Arabien viel“.
Der wahre Grund dafür, dass MbS in Europa wieder derart hofiert wird, sind die explodierenden Energiepreise. Auch wenn Biden sein Treffen mit dem Kronprinzen vor zwei Wochen damit begründete, man dürfe Saudi-Arabien nicht als militärischen Verbündeten im Konflikt mit dem Iran verlieren, ging es bei den Gesprächen in Dschidda auch darum, den Golfstaat dazu zu bewegen, die Menge des geförderten Erdöls zu erhöhen.
Nicht nur in den USA lautet die Hoffnung: Wenn Saudi-Arabien die Fördermenge erhöht, sinkt der weltweite Ölpreis. Auch die Inflation könnte so eingebremst werden. Für Biden wäre das besonders wichtig, der Unmut über die hohen Spritkosten ist in den USA groß – und im November stehen die für die Demokraten enorm wichtigen Kongresswahlen an.
Tatsächlich kündigte Mohammed bin Salman nach Bidens Visite an, die Förderkapazität pro Tag um eine Million Barrel erhöhen. Die maximal mögliche Menge solle somit von derzeit zwölf auf 13 Millionen Barrel erhöht werden, so der Kronprinz. Darüber hinaus habe das Königreich aber keine Kapazitäten mehr.
Für Europa ist das saudische Öl dagegen in erster Linie wegen des EU-Ölembargos gegenüber Russland interessant: Mit ihrem sechsten Sanktionspaket hat die EU beschlossen, bis Ende des Jahres kein Öl mehr aus Russland zu beziehen – zumindest auf dem Seeweg. Über die Pipelines sprudeln rund zehn Prozent des schwarzen Goldes weiter Richtung Westeuropa – vor allem nach Ungarn, Tschechien und in die Slowakei.
Das Embargo zwingt Europa dazu, sich anderen Ölnationen zuzuwenden – Saudi-Arabien ist dabei weltweit der größte Exporteur. Bisher hatte die EU rund ein Viertel ihres Ölimports aus Russland bezogen, nur knapp acht Prozent kamen aus Saudi-Arabien. Genaue Daten für die Zeit seit Kriegsbeginn liegen noch nicht vor. Doch die Schiffsladungen nach Europa mit Rohöl aus dem Nahen Osten haben sich im Juli im Jahresvergleich verdoppelt.
Weitere Abhängigkeit?
Beim Besuch des Kronprinzen in Athen war offiziell von Ölexporten keine Rede. Man wolle künftig strategisch zusammenarbeiten, hieß es – also auch eine gemeinsame Front gegen die Türkei bilden. In Zukunft soll Griechenland für Saudi-Arabien zudem zum Umschlagplatz für den Export von Strom aus erneuerbaren Energien nach Europa werden. Die Saudis investieren bereits Milliarden in erneuerbare Energien – wohl wissend, dass die eigenen Ölquellen in den nächsten hundert Jahren versiegen werden.
Für den Kronprinzen, der wohl noch Jahrzehnte herrschen wird, würde eine Vorreiterrolle bei erneuerbaren Energien auch mehr politische Freiheiten bedeuten. Denn – das zeigt sich in diesen Tagen – der Westen ist bereit, für seinen wirtschaftlichen Vorteil so einiges zu vergessen.
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