Salvini will sofortige Neuwahlen: Weitermachen wäre "zwecklos"

Salvini fordert Autonomie für Lombardei, Venetien und Emilia Romagna
Für den Lega-Chef hat der Wahlkampf mit seiner Beachtour längst begonnen. Neuwahlen als "einzige Alternative" zur Krise.

Italien steht unmittelbar vor Neuwahlen. Der italienische Innenminister und Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, sieht keine Zukunft mehr für das Regierungsbündnis mit der Fünf-Sterne-Bewegung. Am Donnerstag habe er Regierungschef Giuseppe Conte aufgefordert: "Gehen wir sofort ins Parlament, um anzuerkennen, dass es keine Mehrheit mehr gibt", heißt es in einer Erklärung Salvinis am Abend.

"Geben wir das Wort schnell an die Wähler zurück", erklärt er. Es sei "zwecklos", mit Streitereien wie in den vergangenen Wochen weiterzumachen. Bereits zuvor zeigt sich Salvini im Wahlkampf-Modus, posiert mit Wählern, schießt Selfies.

Mit faschistischen Grüßen empfangen

„Prima gli italiani“, „Italiener zuerst“ – das riesige Plakat mit dem Leitspruch der ultrarechten Lega hängt über der Tribüne an der zentralen Piazza in Sabaudia. Die während des Faschismus erbaute Retortenstadt an der Küste südlich von Rom ist die erste Station auf Innenminister Matteo Salvinis Strandtour. Mit tosendem Applaus und  von einigen Fans auch mit faschistischem Gruß wird der „Capitano“, wie ihn seine Anhänger nennen, empfangen.

Salvini gibt sich diesmal seriös mit weißem Hemd und Krawatte. Ein Kontrastprogramm zu Badehose, nacktem Bierbauch und Cocktails, wie man ihn in den Tagen zuvor gesehen hat. Statt einer Rockversion der italienischen Nationalhymne, bei der Salvini kürzlich am Strand als DJ improvisierte, wird sein Erscheinen von Puccinis imposantem „Nessun dorma“ begleitet.

Der Minister wirkt gestresst, als er an dem drückend schwülen Abend die Bühne neben dem Mussolini Denkmal betritt. Bis zuletzt war sein Auftritt unsicher. Denn spätestens seit der Senatsabstimmung am Mittwoch über die Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon herrscht Krisenstimmung. Die Lega unterstützt die seit Langem geplante Bahnstrecke, die Fünf Sterne hingegen lehnen diese strikt ab. Daher fehlt die parlamentarische Mehrheit für die Umsetzung des  von der EU geförderten Milliardenprojekts.

„Es waren anstrengende Tage, ich schlafe schlecht und  wenig. Weil mir die Zukunft Italiens am Herzen liegt und ich mir keinen Fehler erlauben darf“, buhlt Salvini im Publikum um Verständnis. An Sympathien mangelt es in der rechten Hochburg Sabaudia nicht. Die Lega brachte es hier bei der EU-Wahl im Mai auf 45 Prozent.

Neuwahlen im Oktober?

Italienische Medien spekulierten bereits über Neuwahlen im Oktober. Die wurden am Donnerstag wahrscheinlicher, als die Lega in einer Mitteilung eine Regierungsbildung ausschloss. „Jeder Tag, der vergeht, ist ein verlorener Tag, für uns ist die einzige Alternative zu dieser Regierung, den Italienern mit einer Neuwahl das Wort zu erteilen.“ Danach folgte die klare Ansage Salvinis, dass ein Weitermachen "zwecklos" wäre.

"Steht einem Innenminister nicht zu"

Rüffel erhielt er dafür vom italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte. Er will sich in der Regierungskrise nicht von seinem Innenminister und Vize Matteo Salvini treiben lassen. "Es steht einem Innenminister nicht zu, über den Ablauf einer politischen Krise zu entscheiden, in der ganz andere institutionelle Akteure intervenieren", sagte Conte am Donnerstagabend in einer Ansprache in Rom.

Conte kündigte an, die Präsidenten der beiden Parlamentskammern zu kontaktieren, damit diese die Kammern einberufen. Er forderte Salvini auf, im Senat zu erklären, warum er "frühzeitig, abrupt" das Handeln der Regierung unterbreche.

Bei möglichen Wahlen hält Salvini den Trumpf in der Hand. Laut Umfragen liegt die Lega mit 40 Prozent (2018: 17 Prozent) vor den Fünf Sternen, der einst stärksten Einzelpartei (33 Prozent), die auf 15 Prozent abgefallen ist.

„Es ist wie bei einer Ehe, wenn man mehr Zeit mit Streitereien, als im Bett verbringt, ist es Zeit eine Entscheidung zu treffen." Trotz monatelanger guter Zusammenarbeit mit den Fünf Sternen wäre in den letzten Wochen etwas zerbrochen, sagt Salvini. Und fügt hinzu, während er an das Holzkreuz seiner Halskette greift: „Ihr werdet aus meinem Mund kein schlechtes Wort über Luigi Di Maio oder Giuseppe Conte hören.“ In der Dunkelheit blitzen unentwegt Handykameras.

Salvini provoziert Spannungen

Sabaudia ist auch der passende Ort, um wieder einmal offen mit dem Faschismus zu flirten. Nachdem Salvini schon eine halbe Stunde gesprochen hat, fällt ihm „plötzlich“ beim Glockengeläute auf, dass direkt neben der Bühne ein Benito Mussolini-Denkmal steht. Mit gespieltem Erstaunen blickt er nach oben Richtung Turm und beginnt die Inschrift auf der Marmortafel zu lesen: „Unter der Herrschaft von Vittorio Emanuele III, Benito Mussolini als Regierungschef ...“, dann stoppt er plötzlich. „Ich höre lieber auf zu lesen, sonst verhaften sie mich noch vor Ort. Lassen wir die Vergangenheit lieber Vergangenheit sein und blicken in die Zukunft“. Das Publikum quittiert die „Spontaneinlage“ mit Lachen und Applaus.

Kritiker werfen Salvini vor, die Krise provoziert zu haben. Eine Racheaktion nach der Moscopoli-Affäre? Er war enttäuscht über mangelnde Solidarität des Koalitionspartners, nachdem die Lega beschuldigt wurde, illegale Parteigelder aus Russland erhalten zu haben. Salvini verweigerte dazu bisher jede Aussage.

Er befeuerte die Spannungen bei seinen unzähligen Auftritten, die einem Wahlkampf gleichen. Seine Anhänger tragen T-Shirts mit dem Logo der ultrarechten Anti-Ausländer Partei, überall hängen Lega Plakate. Enttäuscht zeigten sich zwei Fans , die vergeblich ins Strandlokal Bodeguita Beach in Anzio pilgerten und dafür einen Urlaubstag opferten: „Es tut uns leid, dass er nicht kommen konnte. Hoffen wir, dass er sein Programm und seine Versprechen halten kann. Er ist für fast 40 Prozent aller Italiener ein Hoffnungsträger.“

Bis Ferragosto will Salvini wieder täglich in die Badehose schlüpfen und  sich von Latium bis Sizilien ins Strandleben stürzen. Bevorzugt in jenen Küstenstädten, in denen die Fünf Sterne bei den letzten Wahlen triumphierten.

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