Sachsen-Anhalt: Wie Linke, SPD und Grüne in den Windschatten gerieten
Linke, SPD und Grüne hatten es bei der Wahl in Sachsen-Anhalt schwer – am deutlichsten musste die Linkspartei Stimmen einbüßen. Auch in anderen Ländern Ostdeutschlands verlor sie zuletzt an Boden.
"Nehmt den Wessis das Kommando" – ein Plakat mit einem Mädchen, das einen großen Hund an der Leine zieht, sorgte im Wahlkampf von Sachsen-Anhalt für Aufregung. Die Linke wollte damit ihr früheres Image als Protestpartei in Ostdeutschland wiederbeleben. Wirklich geholfen hat es ihr nicht.
Die Linke ist zwar drittstärkste Kraft geworden, hat aber am deutlichsten an Zustimmung verloren: Sie kommt auf elf Prozent, ein Minus von 5,3 Punkten im Vergleich zu 2016. Damals erreichte sie 16 Prozent, in den Jahren davor sogar 23 Prozent. Ähnlich in anderen Bundesländern der ehemaligen DDR, wo die Linke eine Art Volkspartei war. Als Kümmerer auftrat und Unzufriedene einsammelte.
Das Ergebnis von Sachsen-Anhalt ist aus Sicht der Parteispitze, die sich Schwung für die Bundestagswahl erhofft hat, eine herbe Niederlage. Laut Wählerstromanalysen gingen etwa 11.000 vormalige Linken-Wähler nicht zur Stimmabgabe, der größte Teil (14.000) wanderte zur CDU von Ministerpräsident Reiner Haseloff. Der Wahlsieger zog aber auch viele Stimmen von der SPD ab und konnte viele Nichtwähler mobilisieren.
Polarisierung durch AfD
Das hat mitunter damit zu tun, dass er als "landesväterlicher" Ministerpräsident lagerübergreifend Identität stiftet. Auch in Thüringen wählten zum Beispiel CDU-Anhänger den Ministerpräsidenten der Linkspartei. Andere wiederum machten wohl aus taktischen Gründen ihr Kreuz bei Haseloff, da er die AfD verhindern wollte. Haseloff sei ein Überzeugungstäter, sagt Politikwissenschafter Hajo Funke. "Er ist katholisch sozialisiert und hat mit einem Rechtsaußen-Bündnis nichts zu tun." Im Wahlkampf setzte er auf seine Person und grenzte sich klar von der AfD ab.
Das brachte ihm einen Schub, hat Linke, SPD und Grüne aber in den Windschatten gestellt. "Das ist nicht untypisch für den Osten", sagt Funke mit Blick auf die vergangenen Landtagswahlen. Auch dort wurden die beliebten Amtsinhaber und deren Parteien CDU (Sachsen), SPD (Brandenburg) und Linke (Thüringen) in einem polarisierten Wahlkampf mit der AfD als Gegner zur stärksten Kraft. Der Verlust der anderen hat mit dieser Situation zu tun, ist Funke überzeugt. Aber es gibt noch andere Gründe.
Dass die anderen Parteien links der Mitte – SPD und Grüne – verloren bzw. sich nicht verbessert haben, ist mit einer historischen Schwäche begründet. Beide spielten nach der Wende keine große Rolle. Nur in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern führt die SPD eine Regierung an, in den anderen Ländern wird sie als kleiner Koalitionspartner in Dreierbündnissen kaum wahrgenommen.
Die Grünen haben es mit ihrem Kernthema Klimaschutz im Osten, dem Land der Kohle, besonders schwer. Sie konnten auch nicht von der Tatsache profitieren, dass sie mit Annalena Baerbock erstmals eine grüne Kanzlerkandidatin stellen, die ihnen bundesweit ein Umfragehoch bescherte. Zuletzt pendelten sich die Zahlen zwischen 22 und 20 Prozent ein. Zudem waren die Grünen mit einer Debatte über die Erhöhung der Benzinpreise konfrontiert, was für die Landtagswahl sicher nicht hilfreich war.
Das Thema der unterschiedlichen Lebensverhältnisse in Ost und West treibt die Menschen nach wie vor um. Doch es wird längst nicht mehr bloß von der Linken aufgegriffen. Die AfD etwa verbindet es mit rassistischen und nationalistischen Elementen – mehr Geld und Förderung nur für die eigenen Leute. Punkten konnten sie diesmal auch bei der Gruppe jener, die ihre wirtschaftliche Lage als "eher schlecht" bezeichnen. Ebenso bei Menschen mit "einfachem Bildungsgrad".
Dass diese nicht ihr Kreuz bei der Linken gemacht haben, die sich bisher als Vorkämpfer der "kleinen Leute" verstand, könnte Thema in internen Analysen sein. Da gibt es etwa Politiker wie Sahra Wagenknecht, die der Partei seit Langem vorwirft, das Kernklientel zu vernachlässigen. Sie würde stattdessen ein bestimmtes gut situiertes akademisches Großstadtmilieu bedienen, kritisierte sie am Wahlabend von der Talkshow-Couch aus.
Alte Milieus der Linkspartei bröckeln
Ganz so einfach ist es aber nicht. Will die Linke noch weiter eine Rolle spielen, wird sie auch neue Gruppen erschließen müssen. Die alten Milieus bröckeln, frühere Wähler sterben. Nach der Wende verließen viele den Osten, mittlerweile ziehen wieder mehr Menschen vom Westen in den Osten. Dass diese mit Anti-Wessi-Slogans viel anfangen können, ist eher zu bezweifeln.
Auf die Zustimmung im Osten ist die Linke jedenfalls angewiesen, sagt Politologe André Brodocz aus Erfurt. "Je mehr ihr dort die Stimmen wegfallen, desto schwieriger könnte ihr damit auch der Wiedereinzug in den Bundestag fallen". Der Zuspruch in den ehemaligen DDR-Gebieten war bis dato ihr größter Machtfaktor.
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