Wolgograd wird wieder Stalingrad
Man könnte es als geschichtsrevisionistischen Schritt sehen: 70 Jahre nach der Schlacht von Stalingrad wird die russische Stadt wieder ihren alten – und mehr als umstrittenen - Namen tragen. Das Parlament der Millionenstadt an der Wolga billigte einen Antrag von Veteranen, die Stadt für die Feiern zum Gedenken an den Zweiten Weltkrieg am Samstag, 2. Februar, sowie an einigen weiteren Gedenktagen wieder Stalingrad zu nennen.
Zarizyn, Stalingrad, Wolgograd
Der ursprüngliche Name der Stadt ist eigentlich Zarizyn – sie liegt im Süden Russlands und beherbergt heute etwa eine Million Einwohner. 1925 wurde sie zu Ehren des KP-Chefs in Stalingrad umbenannt; 1943 wurde ihr Fundament in der Schlacht beinahe völlig dem Erdboden gleichgemacht.
Erst seit 1961, mit dem Ende der stalinistischen Ära und dem Beginn der Tauwetterperiode, wurde Stalingrad in Wolgograd umbenannt. Dennoch behielt sie über die Jahre den Status als „Gorod geroj“, als sogenannte „Heldenstadt“ – Veteranendenkmäler, Soldatenfriedhöfe und Museen zeugen von der für Russland und die Weltgeschichte historischen Bedeutung Wolgograds.
Stalinkult in Neuauflage
Die Namensgebung ist bis heute nicht unumstritten: Historiker, Menschenrechtler aber auch Teile der sowjetischen und später postkommunistischen Führung verurteilten den Sowjetdiktator Josef Stalin (1879 bis 1953) immer wieder als Massenmörder und warnten vor einer Heldenverehrung. Dass dies von der russischen Zivilgesellschaft – und teils von der Politik - nicht immer so gesehen wird, belegen diverse Beispiele: Die Wieder-Einführung des sowjetischen Titels „Held der Arbeit“ vor kurzem etwa – oder der Umstand, dass 70 Jahre nach dem Sieg der Roten Armee gegen die deutschen Truppen in Städten wie St. Petersburg oder im sibirischen Tschita Busse mit Stalin-Porträts fahren, wie nationale Medien berichten. Auch Wladimir Putins kürzliche gehaltene "Rede an die Nation" wies einige nationalen Tendenzen mit UdSSR-Touch auf.
Es ist zudem nicht der erste Versuch, den einst so allgegenwärtigen Kult um Sowjetführer Stalin wiederzubeleben: Gegen ähnliche Aktionen hatte es in der Vergangenheit bereits heftige Proteste gegeben; unter anderem sprach sich die Menschenrechtsorganisation Memorial dagegen aus. Auch in St. Petersburg wurde anlässlich der Kriegsende-Gedenkfeiern eine Sowjet-Beflaggung und die Plakatierung von Stalin-Porträts diskutiert, aber zumindest offiziell nicht erlaubt.
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