Russland und Ukraine bereiten größeren Gefangenenaustausch vor
Seit zehn Tagen kämpfen ukrainische Truppen in der westrussischen Region Kursk. Am Samstag meldete die ukrainische Luftwaffe die Zerstörung einer Autobrücke – und damit einer wichtigen Versorgungsroute für die russischen Truppen. Russland hatte die Zerstörung kurz zuvor bestätigt. Russischen Medien zufolge sind dadurch mehr als 30 Ortschaften in der Grenzregion zur Ukraine vom übrigen Gebiet abgeschnitten; die Ukraine spricht von 80 Gebieten.
Das Ziel der Offensive hat Präsident Wolodimir Selenskij wiederholt betont: Man wolle Russland zu einem "fairen Verhandlungsprozess" zwingen. Dafür will Kiew auch die russischen Soldaten einsetzen, die vom ukrainischen Angriff überrascht wurden – und sich nun in ukrainischer Haft befinden.
Über 100 russische Soldaten eines Schützenregiments und der tschetschenischen Achmat-Einheit sollen von der ukrainischen Armee diese Woche gefangen genommen worden sein – in einer einzelnen Aktion so viele wie noch nie seit Beginn des Krieges vor zweieinhalb Jahren.
Auf Fotos des ukrainischen Geheimdienstes SBU sind Dutzende junge Soldaten mit Augenbinde und gefesselten Händen zu sehen. In einem Video liegen weitere junge Armeeangehörige mit dem Gesicht nach unten auf einem Feld, während sie von ukrainischen Soldaten bewacht werden. Jetzt könnten sie als eine Art Faustpfand dienen für einen großen Gefangenenaustausch zwischen ukrainischer und russischer Armee.
Kiew bestätigt, dass Gespräche mit Russland aufgenommen wurden. Wie hoch die Zahl der russischen Gefangenen insgesamt ist, die die ukrainischen Streitkräfte gefangen genommen haben, ist weiter geheim. Sie dürfte jedoch in die "Hunderten" gehen, wie die Financial Times über Soldaten an der Front in Erfahrung gebracht hat.
Lob von Selenskij
Für die vielen russischen Gefangenen gab es Lob von Selenskij: "Vielen Dank an alle Soldaten und Kommandeure, die russische Militärgefangene nehmen und die Freilassung unserer von Russland festgehaltenen Soldaten und Zivilisten näher bringen", schrieb Selenskij auf Telegram. Die ukrainische Armee habe "den Fonds für den Austausch von Gefangenen aufgefüllt". Was die Vermutung nahelegt, dass dieses Mal ein viel größerer Austausch als bisher zustande kommen soll.
Bisher gab es seit Beginn der russischen Invasion bereits an die 50 Gefangenenaustausche, dabei kamen aber nie mehr als jeweils ein paar Dutzend Soldaten frei.
Tausende Gefangene in Russland
Rund 6.500 ukrainische Soldaten hält Russland gefangen, sagte Kremlherr Wladimir Putin im Juni. Er gab auch an, dass die Ukraine wiederum mehr als 1.300 russische Soldaten festhalte – Kiew bestätigt keine dieser Zahlen.
Für Zehntausende Ukrainerinnen und Ukrainer kommt mit einem bevorstehenden Gefangenenaustausch wieder Hoffnung auf: An die 40.000 Ukrainer werden seit Kriegsbeginn vermisst, der Großteil von ihnen Soldaten. Von ihnen wiederum dürften sehr viele gefallen sein. Weder davon noch von einer russischen Gefangenschaft dürften die meisten Angehörigen ukrainischer Soldaten wissen. Für sie bleiben die Kämpfer nur: vermisst.
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