"Sie wollten ein Kotelett aus mir machen“, sagt Leonid Wolkow, sein Arm hängt eingegipst in einer Schlaufe. Ein „typischer Banditengruß aus Putins St. Petersburg“ sei das gewesen, sagt er in die Kamera. „Hallo zurück, Wladimir Wladimirowitsch.“
Wolkow war einer der engsten Berater Alexej Nawalnys, des letzten großen Konkurrenten, den Putin kürzlich losgeworden ist. Seit Kriegsbeginn lebt er im Exil in Vilnius (Litauen), seit Nawalnys Tod setzt er gemeinsam mit dessen Witwe Julija dessen Arbeit fort. Dafür erhielt er jetzt Besuch aus seiner Heimat, wie er sagt: Ein Mann attackierte ihn mit einem Hammer, abends in der Dunkelheit.
Dass der Gruß mit dem Hammer zum klassischen Wagner-Repertoire gehört, dürfte kein Zufall sein. Der Kreml lässt seine Gegner auch im Ausland verfolgen, und kurz vor der Präsidentschaftswahl, die von Freitag bis Sonntag dauert, ist die Staatsführung offenbar nervös. Zwar steigen Putins offizielle Umfragewerte sogar, das dürfte aber auch an den Repressalien liegen – in Moskau war die Polizei und FSB-Präsenz seit Nawalnys Begräbnis so hoch wie lange nicht.
Die restliche Opposition, so sie nicht wie Wolkow im Exil ist, wurde ins Abseits gedrängt. Boris Nadeschdin, der bis vor einigen Wochen als Hoffnungsträger fungierte, wurde von den Wahllisten gestrichen; er soll Unterstützerunterschriften von Toten vorgelegt haben, sagte die Behörde – eine altbekannte Begründung in Russland.
Nur Systemopposition
Unabhängige Kandidaten gibt es damit keine. Auf den Listen stehen nur Kandidaten der Systemopposition, und Liberaldemokraten, Kommunisten und Neue Leute sind alle Putin-treu. Das hat auch zur Folge, dass die Opposition keine Beobachter in die Wahllokale schicken darf, um Manipulationen zu überwachen – nur gelistete Parteien sind dazu berechtigt. Die haben eine Kooperation mit Oppositionellen aber abgelehnt.
Die versprengte Opposition steht so vor einigen Problemen. Zum einen fehlt ihr ein charismatisches Gesicht, wie Nawalny es selbst vom Gefängnis aus war. Dazu verunmöglicht der Kreml dessen „Smart Voting“-Strategie: Bisher rief Nawalnys Team stets dazu auf, zur Wahl zu gehen und für Kandidaten abseits der Kreml-Elite zu stimmen.
Diesmal sind aber ausschließlich Personen nominiert, die zu Putins Dunstkreis zählen. Von den etwa zehn Prozent Proteststimmen, die Kriegsgegner Nadeschdin hätte generieren können, dürfte der Neue-Leute-Kandidat Dawankow profitieren – er plädiert zwar vorsichtig für „Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen“ mit Kiew, ist aber kein ernst zu nehmender Putin-Kritiker.
Ein Zeichen will die Opposition dennoch setzen. Nawalnys Team und andere riefen dazu auf, am Sonntag um Punkt 12 Uhr wählen zu gehen, um viele Gleichgesinnte zeitgleich zu versammeln – das soll ein geeintes Bild des Protests schaffen. Ob das aufgeht, bezweifelt die – untereinander zerstrittene – Opposition selbst: Allein in Moskau gibt es 3.000 Wahllokale – Boris Nadeschdin, der von den Behörden geschasste Oppositionelle, schätzt die Andersdenkenden in der Hauptstadt auf 50.000. Das wären 17 Menschen pro Wahllokal: „Ich sehe in dieser Aktion keine praktische Bedeutung“, sagt er.
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