Nawalny hat in seinen Dokumentationen Putins obszönen Reichtum bloßgestellt, hat seine gierigen Netzwerke enttarnt, die den Russen seit Jahrzehnten ihr Geld abpressen und das Land und seine Gesellschaft immer noch korrupter, kleptokratischer und grausamer machen. Er hat bewiesen, dass Putins Weg mit politischen Leichen gepflastert ist.
Genau deswegen ist er jetzt selbst gestorben.
Gegen Putins Krieg, vom Gefängnis aus
Nawalny war selbst ein Nationalist, aber einer, der sein Maß kannte. Er hat sich gegen Putins Krieg gestellt, noch vom Gefängnis aus, und das ist in Putins Gulags beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Er hat den Russen und dem Westen klarmachen wollen, dass die Leichen, die Putin auf dem Schlachtfeld in der Ukraine hinterlässt, ebenso politische Opfer sind: Sie sterben für den monströsen Größenwahn eines alten Mannes, dessen Machthunger nicht gestillt werden kann.
Davor hat die Öffentlichkeit hierzulande schon lange die Augen abgewendet. Die westliche Politik scheint nach zwei Jahren Krieg dem Ermüdungsbruch nahe, und die Stimmen jener, die einen ebenso schnellen wie unfairen Frieden fordern, werden immer lauter. Der Kremlchef kann so über blauäugige Mittelsmänner wie Tucker Carlson seine zynische Botschaft in die Welt schicken: Wir wollen ja den Frieden, nur der Westen nicht. Wir sind die Guten.
Doch der Mann, der den Krieg begonnen hat, sitzt im Kreml. Und er ist auch der Einzige, der ihn beenden kann. Wenn die Massaker von Butscha, Irpin oder Mariupol nicht gereicht haben, um das zu verstehen, dann hoffentlich der Tod von Nawalny: Er starb einen Tod auf Raten, um der Welt zu zeigen, dass man mit dem Mann im Kreml keinen Deal schließen kann: Es wäre ein Pakt mit dem Teufel. Leider ist die Hoffnung, dass der müde Westen das jetzt versteht, gering.
Weder die Hinrichtung von Boris Nemzow, Putins größtem Opponenten vor Nawalny, noch der Tod von Putins eigenem Geschöpf Jewgenij Prigoschin haben das Zerrbild Putins im Westen nachhaltig verändert. Auch das hat Nawalny immer gewusst – Angst hatte er dennoch keine. Man kann nur hoffen, dass dieser Mut wenigstens andere ansteckt.
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