Russischer Oppositioneller plädiert für "dritte Front" gegen Putin

Russischer Oppositioneller plädiert für "dritte Front" gegen Putin
Zum Widerstand der Ukrainer und den Sanktionen sollte eine dritte Front kommen: Information an die Russen. Das rät Ex-Vizeminister Wladimir Milow.

Drei Monate nach Beginn des Kriegs gegen die Ukraine könne man beobachten, dass Putins System überfordert sei, sagte der russische Ex-Vizeenergieminister und jetzige Oppositionelle Wladimir Milow am Mittwochabend in Wien. Er plädierte für eine „dritte Front“, um mit Informationen die Wahrnehmung von Putins Politik in Russland zu verändern. Gemeinsam mit der militärischen Front in der Ukraine und Sanktionen sollte das laut seiner Ansicht langsam das Ende des Regimes einläuten.

Putin will "Recht des Stärkeren"

„Was wir derzeit sehen ist nicht nur ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Das ist ein Versuch von Wladimir Putin, die globale Ordnung zu verändern“, sagte der Politiker bei einer Veranstaltung des Austrian Institute for European and Security Policy (AIES) in der Diplomatischen Akademie in Wien. Es gehe Putin darum, das Recht des Stärkeren wieder aufleben zu lassen sowie Grenzverschiebungen mit Gewalt in eine normale Angelegenheit zu verwandeln.

Gebietsabtretung würde Putin "ermutigen"

Der zuletzt von manchen Kommentatoren im Westen vertretenen Ansicht, dass man „für den Frieden“ mit Putin eine Vereinbarung schließen sollte und man ihm geben sollte, was er wollte, erteilte der russische Oppositionspolitiker eine Absage. Eine etwaige Anerkennung von russischen Gebietsgewinnen in der Ukraine wäre zynisch. Putin würde dadurch ermutigt, noch weiter zu gehen.

Sanktionen sind "sehr effektiv"

Die Sanktionen, mit denen der Westen auf den Krieg gegen die Ukraine reagierte, bezeichnete der Oppositionelle als „sehr effektiv“. „Wir brauchen aber mehr“, sagte der im litauischen Exil lebende Milow, der auch auf die Relevanz des Rückzugs von internationalen Firmen aus Russland hinwies. Das System von Putin sei nicht darauf vorbereitet worden, dieses Level von ökonomischem Druck auszuhalten. Als „Hauptfaktor“ für die Hoffnung, dass Putins Angriff zurückgeschlagen werden könne, bezeichnete der Russe indes den ukrainischen Widerstand und die Tapferkeit der Ukrainer.

"Dritte Front" mit Infos für Russen

Da ein großer Teil der russischen Bevölkerung im Unklaren sei, was in der Ukraine passiere und ihnen wahrheitsgemäße Informationen fehlten, hält Milow die Eröffnung einer diesbezüglichen „dritten Front“ gegen Putin sehr wichtig. Die Opposition beschäftige sich damit, die öffentliche Wahrnehmung von Putin und seiner Politik in der Ukraine in Russland selbst zu ändern, erläuterte er. „Früher oder später werden wir Erfolg haben“, erklärte er und verwies auf aktuelle Veränderungen bei russischen Meinungsumfragen. Konkret sprach er vom schwindenden Vertrauen in das staatlich kontrollierte Fernsehen und einem damit verbundenen Anstieg der Relevanz von sozialen Medien.

Kein Staatsstreich, sondern Autoritätsverlust

Wie es mit dem Putin-Regime konkret zu Ende gehen könnte ließ der Oppositionelle offen. Er betonte jedoch, dass er nicht an die Möglichkeit eines Staatsstreichs glaube. „Mein Szenario ist, dass Putins Autorität zurückgehen wird und das dann wahrscheinlich schnell passieren wird“, erläuterte er. Ohne Konsequenzen für sich selbst würden Vertreter der Nomenklatura zunächst öffentlich die Entwicklung des Landes hinterfragen und die Bevölkerung würde dies auch beobachten.

Logistik in Russland zerstört

Bereits in den letzten Tagen habe der Gouverneur der Region Kaliningrad, Anton Alichanow, die „Militärische Spezialoperation“ in einem öffentlichen Gespräch mit Putin für den Rückgang der Bauaktivitäten verantwortlich gemacht. Verkehrsminister Witali Sawelew habe dazu davon gesprochen, dass Sanktionen die Logistik in Russland praktisch zerstört habe.
Gleichzeitig betonte der Oppositionspolitiker, dass es nicht reichen werde „Putin ist für alles verantwortlich“ zu sagen. Die Dinge seien komplizierter: „Wir brauchen eine Selbstanalyse wie in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg“, sagte er.

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