KURIER an der Front: Wo der ukrainische Kampfgeist ungebrochen ist

KURIER an der Front: Wo der ukrainische Kampfgeist ungebrochen ist
Die Soldaten der "Chartija"-Brigade kämpfen trotz Munitions- und Personalmangel. "Nur 'zutiefst bestürzt' zu sein, das können wir uns nicht leisten", sagt ein Soldat.

"Das bedeutet nichts Gutes", sagt Advokat und deutet hinter die Baumwipfel. Eine dicke Rauchsäule steigt gen Himmel – dort, wo die Straße liegt, über die er und seine Soldaten versorgt werden. Nervosität ist dem breitgebauten Offizier keine anzumerken – dazu geht der Krieg in der Ukraine schon zu lange. Advokat, das ist sein Kampfname, den er etwa beim Funken verwendet.

Wenige Minuten zuvor war der KURIER über diese Straße zu Advokat und seinen Artilleristen gelangt, die wenige Kilometer von der Front entfernt ihren Stützpunkt aufgeschlagen haben.

Rund herum blüht die Landschaft auf, es zirpt, zwitschert und summt. Doch regelmäßig donnert die Artillerie. Und die russischen Streitkräfte machen auch hier, im Raum Lyman, Druck. Wie überall an der 1.200 Kilometer langen Front droht den ukrainischen Streitkräften, die Munition auszugehen. Während die Russen fünf Artilleriegranaten verschießen, ist es bei den Ukrainern eine. Für die Soldaten kommt Aufgeben nicht infrage. "Wir verteidigen hier unser Land. Nur 'zutiefst bestürzt' zu sein, das können wir uns nicht leisten", sagt ein Soldat.

Advokat fordert auf, ins Fahrzeug zu steigen – es geht noch näher an die Front. Russische Infanterie soll versuchen, eine Stellung der ukrainischen "Chartija"-Brigade anzugreifen – das sollen unter anderem Advokats Artilleristen verhindern. 

Transparente Front

Woher er weiß, was die Russen planen?

KURIER an der Front: Wo der ukrainische Kampfgeist ungebrochen ist

Ukrainisches Fahrzeug, von russischer Drohne getroffen – kurz vorher war der KURIER dort.

Noch nie war eine Front transparenter als jene in der Ukraine. In Stützpunkten tief unter der Erde flimmern Live-Aufnahmen zahlreicher Drohnen auf Bildschirmen, vor denen Soldaten mit Headset sitzen und jede Bewegung melden. Jede gefundene russische Stellung, jeder mögliche Angriffsweg wird überwacht. Bietet sich ein Ziel, dauert es höchstens fünf Minuten, ehe Drohnen oder Granaten dort einschlagen.

Auch auf der russischen Seite dürfte es nicht anders sein, weswegen Advokat aufs Gas steigt. Der schwarze Rauch wird sich später als ukrainisches Fahrzeug entpuppen, das von einer russischen FPV-Drohne getroffen wurde. Gegen eine solche hatte das Fahrzeug keine Chance: Sie rasen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 140 Kilometern pro Stunde durch die Luft, ihre Frontkameras übertragen ihre Sicht direkt auf die speziellen Brillen ihrer Piloten, die sie direkt steuern – als ob sie selbst das Fluggerät wären. Mit Sprengstoff beladen sind sie eine tödliche Waffe, Abertausende schwirren täglich an der Front durch die Luft.

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