Industrienationen wie Großbritannien oder Deutschland wollen dem Rohstoff zwar schnell den Rücken kehren; die Regierung in London ab 2024, die in Berlin bis 2030. Die größten Kohle-Verbraucher der Welt sperren sich aber gegen jeden Ausstiegsplan.
Australien, Indien oder Russland wollen die Kohlenutzung kurzfristig sogar ausbauen. China hat angekündigt, nicht mehr in Kohlekraftwerke im Ausland zu investieren, will aber weiter eigene bauen.
Die Hauptakteure im Kohlesektor befinden sich in Südostasien. Um ihr Wirtschaftswachstum nicht zu gefährden, Jobs zu sichern und Milliardenbevölkerungen mit Strom zu versorgen, benötigen sie viele, möglichst günstig zu befeuernde Kraftwerke.
China deckt rund 60 Prozent seines Energiebedarfs durch Kohle. Obwohl es der weltgrößte Förderer des „schwarzen Goldes“ ist, ist es auf Importe angewiesen, vor allem aus Indonesien. Dasselbe gilt für Indien, das 70 Prozent seines Stroms mit Kohle erzeugt und zweitgrößter Förderer ist.
Der Bedarf in Asien werde noch bis mindestens 2030 steigen, sagte Australiens Ressourcenminister Keith Pitt jüngst. Sein Land werde noch auf Jahrzehnte Kohle fördern: „Wenn wir nicht den Markt gewinnen, dann jemand anderer.“
Angst vor Blackouts
Wie umkämpft dieser Markt ist, zeigte sich, als mehrere asiatische Länder wochenlang unter Kohle-Mangel litten. Die Wirtschaft hatte nach Abflauen der Corona-Krise Fahrt aufgenommen, der Energiebedarf stieg sprunghaft. Zugleich führten starke Regenfälle zu Förderrückgängen in China und Indien.
In beiden Ländern mussten energieintensive Industriezweige vorübergehend zurückgefahren, Kraftwerke vom Netz genommen und Kohle teuer zugekauft werden. Blackouts drohten.
Auch Länder, die sich zum Ausstieg aus der Kohlekraft verpflichtet haben, werden noch Jahre von ihr abhängig sein – für Ersatz muss erst gesorgt werden.
Nicht nur ist Kohle trotz gestiegener Preise weiter günstiger als etwa Erdgas. Ihre Verbrennung sorgt auch für gleichbleibende, planbare Strommengen – anders als Solar- und Windkraftanlagen, von denen es bei Weitem noch nicht genug gibt und die oft auf Ablehnung stoßen.
Durch die Energiewende dürfte zudem Experten zufolge der Strombedarf steigen, z. B. durch breiten Einsatz von Elektroautos oder Wärmepumpen. Dafür braucht es Investitionen auch in Stromnetze und -Speicher, die Schwellenländer nicht alleine stemmen können.
Kostenintensiv sind auch Kompensationszahlungen für Kraftwerks- und Minenbetreiber sowie Strukturhilfen für Bergbaugebiete, in denen neue Jobs für viele Menschen gebraucht werden. In Polen, wo die Kohle zum Nationalstolz gehört und das bis 2049 an ihr festhält, soll ein Fonds den Übergang abfedern. Auch Deutschland muss tief in die Tasche greifen, allein die vom Kohle-Ausstieg betroffenen Regionen erhalten 40 Milliarden Euro.
Und was wird aus den Kraftwerken?
In den USA wurden zwischen 2011 und 2019 – auch wegen des Erdgasbooms durch Fracking – ein Drittel der Kohlemeiler in Gaskraftwerke umgebaut. Diese emittieren zwar weniger, aber auch zu viele Treibhausgase. Die Regierung in Berlin kann sich vorstellen, die deutschen Kraftwerke ebenfalls umzurüsten. Sie sollen später einmal klimafreundlich mit Wasserstoff betrieben werden.
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