Regimewechsel: Warum der Westen nicht an Putins Sessel sägen will
Nicaragua, Panama, Irak oder Libyen sind nur einige der Länder, in denen die USA in Regimewechsel verwickelt waren, sei es durch Militäreinsätze oder die Unterstützung von Aufständischen. Am Samstag schien es kurz, als strebe Washington einen derartigen „Regime Change“ auch in Russland an.
„Um Gottes Willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben“, sagte US-Präsident Joe Biden bei einer Rede in Warschau über „Diktator“ Wladimir Putin. Um nach scharfer Kritik an seinen Worten bald zurückzurudern. Er habe sagen wollen, dass der russische Staatschef nicht ermächtigt werden dürfe, Krieg gegen die Ukraine oder andere Länder zu führen, ließ Biden Außenminister Antony Blinken ausrichten.
Nicht nur der Kreml stieß sich an Bidens Aussage, bei der unklar ist, ob sie geplant oder dem oft losen Mundwerk des Demokraten geschuldet war. Auch bei europäischen Verbündeten löste der Satz Kopfschütteln aus.
Niemand wolle einen Machtwechsel in Russland, versicherte der deutsche Kanzler Olaf Scholz Sonntagabend in der ARD – nicht die NATO und auch nicht der US-Präsident. Zuvor hatten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und ein Vertreter der britischen Regierung mit Nachdruck beteuert, nicht an Putins Sessel sägen zu wollen.
Einzig der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, verteidigte Biden. „Die Staatengemeinschaft hat ein Interesse daran, dass das wichtige Land Russland von einer Person regiert wird, auf die sich die Menschen verlassen können“, sagte er am Montag zu Reuters.
Bidens Kritiker weisen darauf hin, dass der Westen jede Eskalation im Ukraine-Krieg tunlichst vermeiden solle. Anstatt Putin mit dem Verlust seiner Macht zu drohen, solle man alles daran setzen, ihn für einen Waffenstillstand zu gewinnen.
Propaganda
Nach Ansicht von Beobachtern wie dem Ex-Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, könnte Putin Bidens Aussage propagandistisch verwerten: Er könnte sagen, dass die USA nicht primär das Ziel verfolgten, die Ukraine zu retten, sondern Russland zu zerstören.
Für den Fall einer „existenziellen Bedrohung“ des Landes hat Putin mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht.
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