Rechts lauert die Konkurrenz: Wahlen in Schweden
"Eine schwedische Epidemie" – so nennt Magdalena Andersson, sozialdemokratische Ministerpräsidentin Schwedens, die Bandenkriminalität, die von Schwedens Vororten immer stärker ins Zentrum der Gesellschaft vorrückt. Ein trauriges Beispiel für diese Aussage ist ein 15-Jähriger, der mitten im Vorwahlkampf zu den schwedischen Parlamentswahlen in einem Einkaufszentrum einen 31-Jährigen aus dem kriminellen Bandenmilieu erschossen hat. Die Sozialdemokratin muss sich im direkten Duell mit ihrem konservativen Kontrahenten Ulf Kristersson den Vorwurf gefallen lassen, eine lasche Migrationspolitik zu betreiben, in welcher laut Kristersson der Ursprung der gestiegenen Kriminalität liegt.
Für Caroline, Lehrerin an einer Schule in der Region Dalarna, habe es Schweden nicht geschafft, sich ausreichend um Flüchtlinge und Migranten zu kümmern. "Schweden sind manchmal etwas naiv", sagt sie mit Blick auf die Bandenkriminalität in weiten Teilen des Landes. Drogen und Schießereien unter Jugendlichen seien ein großes Problem. In der schwedischen Bevölkerung sei man solche Probleme nicht gewohnt, es fühle sich an, als gäbe es Parallelgesellschaften. Die rechten Schwedendemokraten haben in Carolines Augen die vorherrschende Bandenkriminalität ausgenutzt, um die Schuld bei missglückter Einwanderungs- und Integrationspolitik zu suchen.
Hitzige Energiedebatte
In der schwedischen Bevölkerung ist aber auch die Besorgnis rund um die steigenden Energiepreise groß. Hier geht es auch in den politischen Debatten deutlich angriffiger zu. Die Sozialdemokratin spielt in der Energiekrise staatstragend ihren Vorteil als Ministerpräsidentin aus. Sie verweist auf "europäische Lösungen" - wohl auch mit Blick auf die EU-Ratspräsidentschaft, die Schweden ab Anfang 2023 innehat. Kristersson sieht Versäumnisse in der sozialdemokratischen Energiepolitik und hält Putins Angriffskrieg in der Ukraine für die falsche Rechtfertigung für die hohen Preise. Sein konservativer Block, inklusive den Rechtspopulisten, hat drei Wochen vor der Wahl demonstrativ eine gemeinsame Bustour durch das Land gestartet, bei der sie Schwedens Atomkraftwerke besuchten. Beobachter sprechen davon, dass die Energiepolitik – und hier insbesondere der Ausbau von Atomstrom – eines der wenigen Themen ist, in welchem sich die vier Parteien rechts der Mitte einig sind.
Die Rolle der Rechten
Besondere Aufmerksamkeit kommt den Rechtspopulisten bei dieser Wahl zu. Die Schwedendemokraten (SD) haben sich im politischen Alltag etabliert, auch wenn weitgehend unklar ist, wo die Partei in Fragen abseits der Themen Kriminalität und Zuwanderung steht. Laut jüngsten Umfragen könnte die Partei am rechten Rand sogar Kristerssons "Moderaterna" überholen und damit stärkste Partei hinter den derzeit regierenden Sozialdemokraten werden. Trotzdem kann sich keine der Parlamentsparteien eine Regierungsbildung mit den Rechtspopulisten vorstellen. Einzig die bürgerliche Allianz sieht die SD als Partei, die ihnen die Mehrheit bringt, will ihnen aber kein echtes Mitspracherecht in einer Koalition zugestehen. Will Ulf Kristersson Ministerpräsident werden, steht er vor der schwierigen Aufgabe, die Parteien der bürgerlichen Allianz in der Frage nach einer Regierungsbeteiligung oder zumindest einer Duldung seiner Regierung durch die SD hinter sich zu vereinen.
Obwohl erwartet wird, dass die Sozialdemokraten erneut als Sieger aus der Wahl hervorgehen, könnte ein weiteres Erstarken der Rechtspopulisten einen Richtungswechsel in der schwedischen Politik einläuten. Überholen sie tatsächlich die Konservativen, würde dies einem politischen Erdbeben in Schweden gleichkommen. Die Konservativen stünden vor den Konsequenzen ihrer zweiten Verlustwahl. Die "Schwedendemokraten" wiederum müssten sich ernsthaft mit ihrer möglicherweise sehr gewichtigen Rolle in der Regierungsbildung auseinandersetzen - wohlwissend, dass ihr Vorsitzender Jimmie Åkesson aufgrund fehlender Unterstützung im Parlament keinen Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt stellen wird. Ob die bürgerliche Allianz mit einer erstarkten Partei am rechten Rand zu einem Übereinkommen findet, ist fraglich – ein Machtwechsel an der Spitze scheint damit noch unwahrscheinlicher. Aber auch den Sozialdemokraten ist der Posten an der Spitze nicht sicher. Die Kleinparteien, insbesondere die Centerpartei und die Liberalen, werden wie so oft in der jüngsten politischen Vergangenheit Schwedens das Zünglein an der Waage sein. Nicht zuletzt beschreibt auch Caroline die kommende Wahl als "wichtigste Wahl seit langem".
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