Schwedens jahrhundertealte Neutralität geht zu Ende

Schwedens Premierministerin Magdalena Andersson mit Boris Johnson
Gemeinsam mit Finnland peilen die Schweden die NATO an, obwohl in Schweden nicht alle überzeugt sind, ob das richtig wäre. Schwedische Sozialdemokraten entscheiden heute über den Antrag auf Mitgliedschaft in der NATO.

Vor mehr als 200 Jahren hat Schweden das letzte Mal Krieg geführt – gegen die Truppen Napoleons. Es blieb im Ersten Weltkrieg neutral, und auch im Zweiten wahrte es seine Unabhängigkeit. Diese jahrhundertelange Abwesenheit von Krieg schlug sich nicht nur im sichtbaren Reichtum des Landes im hohen Norden nieder, sie ging auch in Fleisch und Blut der Schweden über. Sie mögen der EU angehören – doch die Schweden verstehen sich als neutral, als eine Art beruhigte Insel inmitten einer schwankenden Welt. Und so beteuerte der schwedische Verteidigungsminister Peter Hultqvis noch zu Jahresbeginn: "Mit mir als verantwortlichem Minister wird es keinen NATO-Beitritt geben."

Die Bedrohung

Ein paar Wochen und einen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine später sieht die Welt auch für Schweden anders aus. Bis vor Kurzem undenkbar sind nunmehr 56 Prozent der Bevölkerung für einen Beitritt zur NATO ihrer bisher bündnisfreien Heimat. Die Bedrohung durch einen unberechenbar gewordenen russischen Präsidenten Putin ist auch in Schweden spürbar geworden.

Winzige Nadelstiche bekommt man in Schweden ja schon seit Langem ab: Zuweilen tauchen russische U-Boote vor der schwedischen Küste auf, immer wieder verletzten russische Kampfflieger den finnischen und den schwedischen Luftraum.

Dennoch fällt die Zustimmung der Schweden für das westliche Militärbündnis bei Weitem nicht so groß aus wie jene der Finnen. Nach wie vor sind viele Schweden überzeugt, dass sie sicherer leben, wenn sie an ihrer gewohnten Neutralität festhalten. "Wir glauben, dass es unseren Interessen am besten dient, wenn wir militärisch ungebunden bleiben", sagt denn auch Umweltministerin Annika Strandhali. Doch ihre sozialdemokratische Parteifreundin und Regierungschefin Magdalena Andersson betont: "Es gibt ein klares Vor und Nach dem 24. Februar."

Im Gleichklang mit ihrer finnischen Amtskollegin Sanna Marin dürfte Andersson deshalb bereits nächste Woche offiziell um einen Beitritt Schwedens zum westlichen Militärbündnis ansuchen. Von einer Volksabstimmung, die man der Bevölkerung früher angesichts der Möglichkeit eines NATO-Beitrittes in Aussicht gestellt hatte, ist in Schweden nun keine Rede mehr.

Schwedische Sozialdemokraten kommen zusammen

Die in Schweden regierenden Sozialdemokraten wollen deshalb heute eine Entscheidung darüber treffen, ob ihr Land einen Antrag auf Mitgliedschaft in der NATO stellen soll. Die Spitze der Partei von Ministerpräsidentin Magdalena Andersson will dafür zu einer Sondersitzung zusammenkommen. 

Kommentare