Putsch in der Slowakei? Nur ein "Krieg der Ermittler"
Der Polizeipräsident gegen die Chefs von zwei Nachrichtendiensten, Anklagen wegen krimineller Verschwörung. Oppositionsführer Fico wittert dahinter einen „Coup“ – und profitiert vom Vorwahlchaos.
Das war selbst für die Slowakei, wo Verhaftungen, Anklagen und Ermittlungen gegen Politiker und hohe Sicherheitsbeamte nahezu an der Tagesordnung stehen, ein Paukenschlag: Gleich sieben Anklagen gab Polizeipräsident Stefan Hamran in der Vorwoche bekannt – darunter gegen die zwei wichtigsten Geheimdienstchefs des Landes: Michal Alac leitet den Inlandsgeheimdienst SIS und Roman Konecny das Nationale Sicherheitsamt NBU.
Der Vorwurf: Kriminelle Verschwörung innerhalb der slowakischen Sicherheitskräfte. Die Geheimdienstchefs, einige ihrer höchsten Beamten und der umstrittene Geschäftsmann Peter Kosc hätten Korruptionsermittlungen verhindert und – schlimmer noch – gezielt konterkariert:
Sie sollen versucht haben; selbst einen Korruptionsfall zu fabrizieren und diesen jenen Beamten der Sonderpolizei (NAKA) anzuhängen, die gegen die jetzt Angeklagten ermitteln. Diese gefälschten Korruptionsvorwürfe gingen schließlich sogar so weit, dass die Sonderbeamten selbst unter massiven Verdacht gerieten.
Auf der Flucht
Nicht alle jetzt Angeklagten konnten nun festgenommen werden: Der Chef des Nationalen Sicherheitsamts soll laut slowakischen Medienberichten „verschollen“ sein. Geschäftsmann Peter Kosc, der wegen eines früheren Korruptionsverfahrens per internationalem Haftbefehl gesucht wird, ist überhaupt schon länger flüchtig.
Für Oppositionsführer und Ex-Premier Robert Fico aber stand sogleich fest: „Das ist ein Umsturz“, empörte er sich – ein Coup der Polizei, die versuche in den laufenden Wahlkampf einzugreifen.
Am 30. September wird in der Slowakei nach monatelanger Dauerkrise neu gewählt – und Ex-Regierungschef Fico hat laut Umfragen gute Chancen, wieder zurück an die Macht zu kommen.
Ficos Freunde
Alle jetzt angeklagten Geheimdienstchefs gelten als Fico und seiner Partei Smer nahestehend.
Weshalb Fico nicht erst seit jetzt nach Art von US-Präsident Donald Trump argumentiert: Alle Anklagen seien politisch motiviert, das Ganze sei eine Hexenjagd gegen seine Partei. Vorübergehend war in der Vorwoche sogar Ex-Polizeipräsident Tibor Gaspar festgenommen worden. Vorwurf: Korruption und Verbindung zur Organisierten Kriminalität. Gaspar kandidiert jetzt bei den Wahlen für Smer.
Für die meisten Slowaken ist mittlerweile undurchschaubar, wer da, was gegen wen untersucht. Medien schreiben nur noch vom „Krieg der Ermittler“.
Selbst die populäre Staatschefin Zuzana Caputova tut sich schwer, zu versichern: Nein, einen Umsturzversuch durch die Polizei habe es nicht gegeben. „Die Sicherheitsbehörden arbeiten vollständig weiter“, sagte die Präsidentin. Wann die Geheimdienste neue Chefs erhalten, steht noch nicht fest.
Journalistenmord
Die heftigen Kämpfe, die zwischen den verschiedenen Lagern der slowakischen Sicherheitsbehörden toben, sind ein Erbe der Regierungszeit Ficos. Der linkspopulistische Premier hatte vor fünf Jahren als Regierungschef zurücktreten müssen, nachdem der auf Korruption spezialisierte Investigativjournalist Jan Kuciak und dessen Verlobte von der Mafia ermordet worden waren. Hunderttausende Menschen gingen damals gegen den Premier, Korruption und Verbandelung der Politik mit der Organisierten Kriminalität auf die Straße.
Die darauf folgende liberale Regierung versprach der Polizei freie Hand bei der Aufarbeitung der Verstrickungen der Fico-Zeit. Doch nur ein Bruchteil davon kam bisher voran, alte Seilschaften in Polizei und Politik bremsten nach Kräften.
Vor drei Monaten stellte die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen Fico wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung ein. Damit ist der Weg für den bekennenden Putin-Freund Fico frei: Er könnte abermals Premier werden.
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