Putins Leonardos: Wie die Eremitage zu drei "neuen" Da Vincis kam

Eines von zwei Originalen der "Felsenmadonna" - hier in der britischen Nationalgalerie 
Künstler und Institutionen stellen sich in den Dienst des Kreml. In der Petersburger Eremitage darf deshalb Prigoschins Mutter ausstellen - und auch neue Da Vincis zeigt man publikumswirksam. Deren Echtheit ist aber hoch umstritten.

Dass Michail Piotrowskij ein Putin-Fan ist, war eigentlich schon vor dem Krieg klar. Seit 1992 ist der heute 79-Jährige Direktor der Petersburger Eremitage, des international wohl bekanntesten Kunstmuseums Russlands, sein Vertrag wurde kürzlich wieder verlängert. Währenddessen stand er nicht nur auf der Wahlliste für die Putin-Partei, sondern sagte sogar: „Putin ist mein Seelenverwandter.“

Seit Februar 2022 steckt Piotrowskij jedoch in einer Zwickmühle. Seit „sein“ Präsident die Ukraine überfallen ließ, und er sich demonstrativ hinter Putin stellte - „Kriege sind im Allgemeinen eine Form des kulturellen Austauschs“, meinte er da -, ist die Eremitage in der internationalen Kunstwelt isoliert. Der Ableger, den das Museum 2004 in Amsterdam eröffnet hatte, nabelte sich von der Mutter ab, Ausstellungen müssen hauptsächlich mit Werken aus Russland oder noch befreundeten Staaten bestritten werden. Die Folge sind Ausstellungen, die sich ganz und gar in den Dienst des Kreml stellen – oder Werke zeigen, deren Echtheit international umstritten ist.

Putins Leonardos: Wie die Eremitage zu drei "neuen" Da Vincis kam

Die Eremitage in St. Petersburg ist international weitgehend isoliert

Tote Experten - und Putin-Freunde

In letztere Kategorie fällt die aktuelle Schau „Neue Geheimnisse der Gemälde Leonardos“. Dort werden drei Bilder gezeigt, die laut Ankündigung der Eremitage „nach Meinung seriöser Experten unter Beteiligung Leonardo da Vincis selbst“ geschaffen worden seien. Das klingt kryptisch – und ist es auch: Denn bei allen drei Gemälden gibt es Zweifel , ob sie tatsächlich vom italienischen Universalgelehrten stammen.

Dennoch wird die Schau beworben, als wären alle Ausstellungsstücke gesichert von da Vinci selbst. Belegt soll das durch die Beteiligung honoriger Kunstexperten werden, Carlo Pedretti etwa. Allein: Er ist seit 2018 tot. Sein Name ist dann auch nur in der russischen Ausstellungsankündigung zu finden, in der englischen nicht. Und auch der Besitzer von zwei der drei „neuen“ Leonardos wird nicht angeführt. Das mag vielleicht daran liegen, dass sein Spitzname „Putins Masseur“ ist: Der Milliardär Konstantin Goloschtschapow gilt als Putin-Vertrauter, es heißt, die  Freundschaft habe sich auf der Judomatte entwickelt. Dort habe er Kampfpartner Putin massiert. 

Sein „Museum für christliche Kunst stellt nun die Werke "Anghiari-Schlacht" und "Felsenmadonna" zur Verfügung. Die Schlachtszene wurde jedoch 2019 bei Christie’s als Werk eines Nachfolgers von Da Vinci versteigert. Die Felsenmadonna sei eine der vielen Kopien der Louvre-Version des Bildes, schreibt der Kunstexperte Konstantin Akinscha in der FAZ,  und über Da Vincis Urheberschaft gebe es keinen Konsens. Ähnlich ist es beim dritten Gemälde: „Engel“ stammt aus den Archiven der Eremitage, bis Kriegsbeginn trauten sich die Experten dort nicht, es Da Vinci zuzuschreiben.

Malende Häftlinge und Söldnermütter

Dass Künstler und Institutionen sich in den Dienst des Kreml stellen, ist nicht neu. Der einst im Westen gefeierte Dirigent Walerij Gergijew etwa ist ein großer Unterstützer von Putins Krieg. Dafür leitet er seit Kurzem nicht nur das Petersburger Mariinskij-Theater, sondern auch das berühmte Bolschoj-Ballett. Sein Vorgänger dort übte leise Kritik an der „Spezialoperation“.

Eremitage-Chef Piotrowskij droht solch ein Schicksal kaum, dafür sorgen auch seine anderen Ausstellungen. Kürzlich wurden Werke von Insassen aus Straflagern gezeigt, die Rembrandts „Verlorenen Sohn“ neu interpretierten und so zeigen sollten, wie menschenfreundlich die Bedingungen in den Lagern sind. Bei der Eröffnung war die Rede von der "heilenden Kraft der Kunst" und von vor Rührung weinenden Künstlern. International ist der russische Strafvollzug aber so verschrien wie kaum ein anderer, nicht zuletzt der Tod Alexej Nawalnys bewies das.

Zudem zeigt die Eremitage in ihrer Wyborger Filiale Bilder der Mutter des verstorbenen Wagner-Chefs Prigoschin. Die 84-Jährige, die an den Firmen ihres Sohnes beteiligt war und dafür auch sanktioniert war, „griff erst 2017 zum Pinsel“, heißt es in der Ankündigung. Sie porträtiert unter dem Motto "Erhalten Unmöglich Zerstören" hauptsächlich verfallende Kunstdenkmäler, darunter die Ruinen des syrischen Palmyra. 

Gesehen soll sie die auf Einladung ihres Sohnes haben: Der kämpfte dort einst an der Seite Assads.

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