Der Westen sieht auch Kiew in der Pflicht. Die Republikaner wollen mehr und jüngere Soldaten an der Front sehen – die aber wollen nicht, weil Waffen fehlen und der Einsatz als One-Way-Ticket gilt. Wie kommt man aus dem Dilemma raus?
Ja, das ist eine Herausforderung. Für die Ukraine geht es vor allem darum, um genug Waffen und Munition zu haben – der Westen muss vor allem verstehen, dass sich unsere Leute an der Frontmit der notwendigen militärischen viel sicherer fühlen. So kann man viele Leben retten, dann werden sich auch mehr Menschen freiwillig melden. Präsident Selenskij hat dafür auch das Einberufungsalter von 27 auf 25 Jahre gesenkt
Haben Sie Hoffnung, dass die Republikaner das 60-Milliarden-Hilfspaket bald freigeben? Und wenn nicht: Könnte Europa einspringen?
Wir werden uns bis zuletzt verteidigen. Aber ohne amerikanische Hilfe können wir nicht gewinnen. Wenn keine Hilfe kommt, werden wir Stellungen aufgeben müssen, uns zurückziehen. Aber dann kommt der Feind näher und näher an Europa.
Wird diese Gefahr hier ausreichend gesehen?
Das ist hier kein populäres Thema, das hat auch mit Putins Einfluss zu tun. Ihm geht es nicht nur um die Ukraine geht: Wenn wir Stellungen aufgeben müssen, zu Verhandlungen gezwungen werden, wird Russland sich stärker fühlen, die Pause nützen und einen neuen Vorstoß vorbereiten. Welches Land kann ihn dann stoppen? Darüber spricht hier keiner.
Empfinden Sie Österreich hier als besonders propagandaanfällig?
Hier höre ich sogar, Widerstand lohne sich nicht, weil Menschenleben zu wichtig seien. Aber retten können wir diese Leben nur, wenn wir mehr Waffen bekommen. Die Ukrainer kennen den Wert des Lebens in Freiheit und in der Besatzung, wo das Leben zu einer Hölle wird. Es gibt mehr als genug Information über grausame Gräueltaten durch russische Besatzer.
Frankreichs Präsident Macron hat kürzlich europäische Bodentruppen ins Spiel gebracht. War das hilfreich?
Jede Initiative, um Russland zu schwächen, ist gut. Wichtiger wäre aber, die Sanktionslöcher zu stopfen, noch immer finden sich westliche Bauteile in russischen Waffen und Raketen. Es sind noch immer zu viele Firmen, in Russland, auch österreichische. Putin hat auf Kriegswirtschaft umgestellt, diese Firmen helfen Putin bei der Finanzierung seiner Morde. Die Unternehmen hatten zwei Jahre Zeit, sich zurückzuziehen. Sie zahlen Steuern, finanzieren damit Putins Krieg. Mit vielen haben ich persönlich gesprochen, die Antworten sind oft frustrierend – sie sagen, sie seien solidarisch mit dem russischen Volk. Nur: Die Russen stehen hinter dem Krieg, sind euphorisch über das Morden in der Ukraine. Wie kann man sich da solidarisch fühlen?
Finden Sie die hohen Gasimporte in Österreich auch problematisch? 87 Prozent kommen aus Russland.
Russland, das für grausame Morde und Verbrechen verantwortlich ist, gehört isoliert, auch wirtschaftlich. Die Gelder für das Gas kommen ja in die russische Kriegskasse. Aber ich sehe, dass die Regierung Maßnahmen getroffen hat. Es bleibt zu hoffen, dass die möglichst schnell umgesetzt werden und die Milliarden nicht mehr fließen.
Hat Sie die Enthüllung des russischen Spionagerings in Wien überrascht?
Nein. Das belegt nur, was wir immer gesagt haben: Putin beeinflusst die westlichen Eliten. Die Russen haben das sogar selbst formuliert: Zuerst dringen wir in Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport vor, dann können die Panzer kommen. Es ist bitter, dass bei den Salzburger Festspielen noch immer Teodor Currentzis auftreten darf, dass Anna Netrebko auf Österreichs Bühnen steht, die Putins Pläne unterstützt hat.
Ich hoffe, dass im aktuellen Fall schnell ermittelt wird, denn letztlich will Putin die demokratische Ordnung auch in Österreich zerstören. Dabei hat er viele Helfer, die in puncto Ukraine Täter-Opfer-Umkehr betreiben. Auch in der Politik.
Die FPÖ?
Warum die FPÖ gegen Waffenlieferungen zur Verteidigung auftritt, konnte uns noch niemand erklären. Die Lieferungen sind völkerrechtlich und laut UN-Statut in Ordnung. An Nordkorea und am Iran, die Russland militärisch unterstützen, üben sie keine Kritik.
Im Ministerrat wurden jetzt zwei Millionen Hilfsgelder beschlossen. Wünschen Sie sich von der Regierung noch mehr Engagement?
Angesichts der massiven Zerstörungen brauchen wir mehr, leider. Wenn um den Aufbau geht, müssen russische Gelder verwendet werden. Aber wir wären dankbar, wenn die Regierung mehr Mittel für medizinische Hilfe, Einsatzfahrzeuge, humanitäre Entminung oder den Schulbetrieb zur Verfügung stellen könnte.
Davon verstößt nichts gegen die Neutralität. In diesem Krieg gibt es keine zwei Sichtweisen: Jeder Appell gegen militärische Hilfe für uns macht es Putin leichter. Jeder, der das macht, macht sich mitverantwortlich für Russlands Gräueltaten. Putin kann so immer näher an Wien heranrücken. Das kann nicht im Sinne Österreichs sein.
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