Protestwelle nach Tod einer jungen Frau: Regime im Iran gerät unter Druck
Die erzkonservative iranische Staatsspitze gerät in Erklärungsnot. Nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im Gewahrsam der Sitten- und Religionspolizei gehen Tausende Iranerinnen und Iraner im ganzen Land auf die Straße. Feuer wurden gelegt, es kam zu Unruhen.
Die junge Frau war am Dienstag vor einer Woche festgenommen worden, weil sie ihr Kopftuch „unislamisch“ gebunden hatte. Was danach passierte ist unklar. Jedenfalls fiel Amini ins Koma und starb am Freitag in einem Krankenhaus. Seitdem kommt das Land nicht zur Ruhe. Denn in einem inzwischen gelöschten Post bei Instagram hatte die Klinik geschrieben, dass Amini bereits bei der Aufnahme am Dienstag hirntot gewesen sei. Ausgelöst vermutlich durch Schläge auf den Kopf. Jetzt behauptet die Polizei, Mahsa Amini habe Vorerkrankungen gehabt und sei auf der Polizeistation mit Herzversagen zusammengeklappt. Das lässt der Vater des Opfers nicht gelten. Seine Tochter sei „kerngesund“ gewesen.
„Wir fürchten uns nicht“
Die Demonstranten in Teheran und in anderen Städten, vor allem in Aminis Heimatprovinz Kurdistan rufen: „Wir fürchten uns nicht, wir sind alle zusammen“ - eine Parole, die vor allem während der Demonstrationen nach der umstrittenen Präsidentenwahl 2009 populär geworden war. Viele bekannte Frauen, darunter Schauspielerinnen, posteten Fotos von sich ohne Kopftuch oder schnitten in Videos sich die Haare ab. In Autokonvois schwenkten viele brennende Kopftücher.
Hardliner sind am Ruder
Seit der Islamischen Revolution 1979 gelten strenge Kleidungsvorschriften für Frauen, die je nach politischer Lage im Land gelockert oder verschärft werden. Die derzeitige Regierung unter Präsident Ebrahim Raisi und seiner Hardliner-Fraktion versucht seit Monaten, die Bekleidungsvorschriften wieder strenger umzusetzen. Dennoch tragen viele Frauen ihre Tücher ziemlich lose und zeigen viel Haar, in dem meist noch eine Sonnenbrille steckt.
Auch deshalb sind die Proteste für das Theokraten-Regime hochgefährlich. Viele Iraner, die auf eine Wiederbelebung des Atomdeals mit dem Westen gehofft hatten, sind frustriert. Denn das von ihnen erhoffte Ende der Sanktionen rückt in weite Ferne. Die miserable Wirtschaftslage löst seit Langem immer öfter regionale Proteste aus, wenn wieder einmal bekannt wird, wie korrupt der eine oder andere Mullah agiert.
Angst vor Flächenbrand
Der Tod von Mahsa Amini, die bei Verwandten in Teheran zu Besuch war, als sie in die Fänge der Sittenpolizei geriet, könnte einen Flächenbrand auslösen.
Denn auch die Nachfolge des geistlichen Führers steht an. Ayatollah Ali Khamenei ist 83 Jahre alt und schwer krank. Präsident Ebrahim Raisi macht sich Hoffnungen auf die Nachfolge, doch seine Bilanz als Präsident ist mager. Ein anderer Nachfolgekandidat ist Motjaba Khamenei, einer der Söhne des Amtsinhabers. Eine „dynastische“ Lösung kommt für viele gar nicht in Frage. Und liberalere Kandidaten sind entweder bereits verstorben oder chancenlos.
Die Appelle der EU und der USA, die Menschenrechte zu achten, verhallen in der iranischen Elite ohne Echo. Dort befürwortet man eine weitere Annäherung an Russland und China. Demonstranten werden also vermutlich weiterhin niedergeprügelt.
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