Pressestimmen zum CDU-Parteitag: "Eine sichere Option gewählt"

Annegret Kramp-Karrenbauer stellt sich vor
Zahlreiche internationale Zeitungen kommentieren die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen CDU-Parteivorsitzenden.

Annegret Kramp-Karrenbauer hat Angela Merkel am Freitag als CDU-Parteivorsitzende beerbt. Die frühere CDU-Generalsekretärin und Vertraute Merkels hat sich knapp gegen ihren Kontrahenten Friedrich Merz durchgesetzt. So kommentiert die internationale Presse die Wahl:

"Guardian" (London):

"Die Partei stand vor einem Dilemma. Entweder den Kurs von Merkel beibehalten - die entschlossen war, die politische Mitte zu sichern, und die CDU zur Befürworterin der Homoehe, des Mindestlohns und einer Frauenquote in der Politik gewandelt hat - oder weiter nach rechts rücken, um Wähler zurückzuholen, die sie an die AfD verloren hat. Mit Annegret Kramp-Karrenbauer hat die Partei wohl eine sicherere Option gewählt. Nicht zuletzt, weil sie wahrscheinlich eine bessere Beziehung zu Angela Merkel im Kanzleramt haben wird als Friedrich Merz, der als jemand gesehen wird, der einen Groll gegen Merkel hegt. Kramp-Karrenbauers Sieg ist ein Zeichen dafür, dass die Partei auf dem von Merkel eingeschlagenen Weg weitergehen will."

"Neue Zürcher Zeitung":

"Kramp-Karrenbauer wird sich von Merkel lösen müssen. Ansätze gibt es. Kramp-Karrenbauers Ton unterscheidet sich vor allem in Fragen der inneren Sicherheit. Der Staat müsse stark sein gegen kriminelle Clans und gegen 'autonome Chaoten'. Doch den Worten werden Vorschläge folgen müssen. Auch Merkel hat vor ihrer Wahl zur Kanzlerin für eine deutsche 'Leitkultur' getrommelt. Später hat sie vergessen, was das eigentlich ist."

"El Mundo" (Madrid):

"Nicht nur Deutschland, ganz Europa braucht eine starke CDU, die weiterhin ein starkes Gegengewicht zum Populismus und zur extremen Rechten bildet. Die gute Nachricht ist, dass Kramp-Karrenbauer eine starke Europa-Befürworterin ist. Hoffentlich wird sie in der Lage sein, der Aufgabe gerecht zu werden, damit die EU aus ihrem Niedergang herauskommt und ihre Integration vorantreiben kann."

"El Pais" (Madrid):

"Sie hat einen endlos langen Namen und eine lange politische Karriere hinter sich. Annegret Kramp-Karrenbauer war die Konsens-Kandidatin, die vielleicht nicht alle mit Begeisterung erfüllt, aber mit der viele in der Partei das Gefühl haben, koexistieren zu können. Sie ist konservativ, aber nicht zu sehr. Sie ist der Kontinuität verschrieben, aber nicht gänzlich. Vor allem aber hat sie sich als sehr tatkräftige Politikerin erwiesen, die in der Lage ist, in ihrem kleinen Saarland Wahlen zu gewinnen."

"Berliner Zeitung":

"Was ist eine konservative und Erfolg versprechende Politik in dieser Zeit? Ist es tatsächlich das Erbe Merkels, das bei Kramp-Karrenbauer gut aufgehoben ist? Oder ist nicht auch ein Wirtschaftsliberalismus, den Friedrich Merz für die Grundlage alles Bewahrenswerten hält? Das Ergebnis zwischen Merz und Kramp-Karrenbauer war so knapp, dass es schwer sein wird, Merz' Gedankenwelt in der Partei nicht auch ernsthaft zur Kenntnis zu nehmen. Wahrscheinlich gehören beide Welten zur CDU, beide sind konservativ."

"Stuttgarter Zeitung":

"Diese Entscheidung birgt das geringste Risikopotenzial für den Übergang am Ende der Ära Merkel. Sie offenbart, was ohnehin schon alle wussten: Die CDU ist eben keine revolutionäre Partei. Alle anderen Entscheidungen hätten bedeutet, dass Merkels Zeit auf eine Weise endet, die man neudeutsch 'disruptiv' zu nennen pflegt. Man könnte auch unharmonisch dazu sagen. Wer die Frau von der Saar jedoch schlicht für eine Art Merkel 2.0 hält, würde ihre Ambitionen unterschätzen, ihr eigenes Profil verkennen."

"Le Figaro" (Paris):

"Annegret Kramp-Karrenbauer ist wenig bekannt in Frankreich - außer vielleicht im Osten des Landes, der gute regionale Beziehungen zum Saarland unterhält. (Ihre Wahl ist) eine gute Nachricht für Emmanuel Macron (französischer Staatspräsident, Anm.). Falls der Präsident die Proteste der 'Gelbwesten' übersteht, kann er darauf hoffen, dass das neue deutsche Duo sich daran machen wird, auf seine europäischen Vorschläge zu antworten. Angela Merkel wird von ihrer Thronfolgerin nicht aufgehalten werden, und diese selbst weist eine Neigung zum Deutsch-Französischen auf."

"NRC Handelsblad" (Amsterdam; Onlineausgabe):

"Kramp-Karrenbauer ist eine Politikerin, die zusammenführen kann. Das hat sie im letzten Jahr unter Beweis gestellt. Als im Sommer der Streit zwischen der CDU und der bayerischen CSU drohte, sich zu einem Bruch der christdemokratischen Schwesterparteien auszuweiten, spielte Kramp-Karrenbauer hinter den Kulissen eine Schlüsselrolle bei der Beilegung der Krise. Nun steht sie vor der Aufgabe, Merkel-Kritiker und Merkel-Anhänger in ihrer Partei wieder auf eine gemeinsame Linie zu bringen."

"de Volkskrant" (Amsterdam):

"So knapp er auch war, der Wahlsieg von AKK (Kramp-Karrenbauer, Anm.) - wieder eine gemäßigte Kandidatin und wieder eine Frau - verdeutlicht, wie sehr sich die Partei in den 18 Jahren unter dem Vorsitz Angela Merkels verändert hat. Für Merkel dürfte sich die Wahl Kramp-Karrenbauers anfühlen wie ein Abschiedsgeschenk."

"De Standaard" (Brüssel):

"Auf die neue Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer wartet in Berlin viel Arbeit, denn die CDU ist dabei zu erodieren. Die Partei sucht einen Kurs in einem stark veränderten Deutschland. Die Grünen und die AfD haben ihr Wähler abspenstig gemacht und das erfordert eine selbstkritische Analyse. (...) Kramp-Karrenbauer muss schnell aus dem Schatten von Angela Merkel treten, denn in den Rängen der Partei hat sich eine gewisse Merkelmüdigkeit eingeschlichen. Das dürfte aber nicht schwierig sein, wie Eingeweihte meinen. Denn Kramp-Karrenbauer folgt ihrem eigenen Kurs."

"Berlingske" (Kopenhagen):

"Es ist eine schwierige Aufgabe, die auf Annegret Kramp-Karrenbauer als Vorsitzende der größten bürgerlichen Partei im größten Land Europas wartet. Einerseits muss sie für Kontinuität sorgen. Auf der anderen Seite sollte jedem Christdemokraten klar sein, dass es so nicht weitergehen kann. (...) Europa braucht eine starke CDU als Rückgrat eines starken Deutschlands, das fest zum Respekt vor den demokratischen Werten und internationalen Abkommen steht, in einer Zeit, in der fragwürdige Charaktere wie (Russlands Präsident) Wladimir Putin und (der türkische Staatschef) Recep Tayyip Erdogan nur selten eine Gelegenheit verpassen, die EU zu unterminieren und gegen sie zu arbeiten. Aus diesem Grund müssen Europas Bürgerliche hoffen, dass sich die CDU um ihre neue Vorsitzende sammelt."

"Aftenposten" (Oslo):

"Nachdem die Wahl in vielerlei Hinsicht zwischen Kontinuität und Aufbruch stand, ist es nicht beruhigend, mit einer Marge von 52 zu 48 Prozent zu gewinnen. Fast die Hälfte der Partei will einen völlig anderen Führungstyp als Merkel. Die Frage ist, ob die neue Vorsitzende von Deutschlands konservativer Volkspartei den Anschub geben kann, den die Partei nach all den Jahren mit Merkel braucht. Ich bezweifle das, obwohl Kramp-Karrenbauer eine sympathische Führungspersönlichkeit mit bedeutender Regierungserfahrung ist, wenn auch aus einem sehr kleinen Bundesland."

 

 

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