Annegret Kramp-Karrenbauer: Alles auf eine Karte
Stehender Applaus, eine Gruppe schwenkt die saarländische Landesfahne. Annegret Kramp-Karrenbauer schlägt sich auf den Mund, innerlich spürt sie sicherlich einen kleinen Triumph.
Annegret wer?, lautete vor einem halben Jahr noch die Frage. Da stand eine kleine Frau mit kurzen Haaren neben Angela Merkel im Adenauer-Haus. Das Auffälligste waren ihre Brille und der saarländische Sing-Sang. Die Ministerpräsidentin sollte CDU-Generalsekretärin werden. Ein Amt, das Sprungbrett wie Schleudersitz sein kann – und Kramp-Karrenbauer hatte dafür alles auf eine Karte gesetzt. Eine Strategie, die sich durch ihre Karriere zieht.
Begonnen hat sie im Saarland. Während des Studiums heiratete sie ihren Mann, drei Kinder kamen zur Welt. Mit ihrem Aufstieg in den Bundestag in Bonn änderte sich die Rollenverteilung: Ihr Mann kümmerte sich um Haushalt und Kinder. Eine Herausforderung, wie sie bekannte, die funktionierte, weil er Familienmensch ist. So modern sie in der Hinsicht ist, so konservativ ist sie bei anderen Themen, wie zuletzt beim Rennen um den Parteivorsitz deutlich wurde: Sie wirbt für den Lebensschutz, verglich Schwangerschaftsabbrüche mit einer Blinddarm-OP oder die gleichgeschlechtliche Ehe gar mit Inzest. Bei solchen Ansagen mussten schon so einige Parteiliberale schlucken.
Hart und unaufgeregt
Zwei Seiten bedient sie auch in der Migrationspolitik. Sie unterstützt zwar Merkels Ansätze, kann aber, wenn es drauf ankommt, auch die Parteirechten bedienen. Kürzlich erzählte sie bei einer Regionalkonferenz eine Episode aus ihrer Region. Da hätten sich Migranten geweigert, von Frauen das Essen ausgereicht zu bekommen: „Das haben wir ganz schnell gelöst“, tönte AKK. „Wer von einer Frau kein Essen nimmt, der hat offenbar keinen Hunger und bekommt eben keins!“
So hart sie im Nahkampf klingen kann, so unaufgeregt ist ihr Ton als Führungskraft. Mit der Kanzlerin wird sie geräuschlos zusammenarbeiten, muss sich aber von ihr emanzipieren.
Dass sie nicht nur an Merkels Leine hängt, hat sie 2011 nach der Kür zur Landeschefin bewiesen und einen riskanten Coup gewagt: Sie beendete die Koalition mit Grünen und FDP, weil sie der internen Querelen der Liberalen überdrüssig war. In Berlin schlug ihr Manöver hohe Wellen. Die FDP war Regierungspartner und die Kanzlerin „not amused“, erzählte AKK in einer Fernseh-Doku. Doch die Saar-CDU profitierte von den Neuwahlen. Als sie auch im heiklen Wahljahr 2017 die Sozialdemokraten schlug, am Zenit des Kanzlerkandidaten-Hypes um Martin Schulz, rechnete ihr das Merkel hoch an.
Ein Ministeramt lehnte sie ab. Lieber wollte sie als Generalsekretärin Parteidienerin werden. Dass der Dienst auch mit einer anderen Option verbunden ist, war ihr klar. Dass es so schnell ging, wohl nicht. Sie wusste nichts von Merkels Entschluss, nach der Hessen-Wahl den Parteivorsitz abzugeben. Als keine 30 Minuten später Friedrich Merz’ Bewerbung via Bild-Zeitung einging, konnte sie nicht mehr länger warten. Schnell tippte sie eine SMS an den Mann, damit er es nicht aus den Medien erfährt. Dann setzte sie wieder alles auf eine Karte: Sie gab das Amt der Generalsekretärin auf. Sollte sie verlieren, wär’s das gewesen – es kam anders.
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