Muezzin seit 2004
In politisch rechts stehenden Kreisen ist Hamtramck, wo seit 2004 der Muezzin in den Moscheen zum Gebet rufen darf, während in der katholischen St. Florian-Kirche sonntags eine katholische Messe für die polnische Community abgehalten wird, zum Symbol für eine falsche Einwanderungspolitik geworden. Die Gegenseite sieht dagegen den Beweis erbracht, dass verschiedene Religionen sehr wohl friedlich auf engstem Raum (die Stadt ist nur zwei Quadratmeilen groß) miteinander auskommen können.
Im Wahlkampf, sagt die scheidende Bürgermeisterin Karen Majewski im Gespräch mit dem KURIER, habe es trotzdem gewisse Vorbehalte gegeben, ob hier womöglich eine Islamisierung einsetze. "Tatsache ist, dass alle Neugewählten inklusive des neuen Bürgermeisters die Brot-und-Butter-Themen im Blick haben: saubere und sichere Straßen, ökonomischen Fortschritt, bessere Schulen. Dabei zählt der ethnisch-religiöse Hintergrund nicht so sehr."
Alle Beteiligten, inklusive Mayor Ghalib, betonen, dass sie Amerikaner seien und somit der Verfassung und den dort niedergelegten Prinzipien verpflichtet. Dazu gehört, so Ratsfrau Jaczkowski, "die Trennung von Staat und Kirche". Erst in zweiter Linie sei sie Muslimin. Als solche will sie "islamische Werte wie Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit" im politischen Alltag praktizieren. Ohne dabei aus den Augen zu verlieren, dass "unsere Entscheidungen das Leben von allen Menschen in Hamtramck verbessern müssen". Ihr Kollege Mohammed Hassan sagt es so: "Religion findet außerhalb in der Moschee oder im Tempel statt, nicht aber in der City Hall."
Aus Bangladesch und dem Jemen
Was vielleicht nicht ganz so stimmt. Im Wahlkampf crashten Majewski und Ghalib bei dem ideologisch aufgeladenen Thema LGBTQ. Während sich die liberale Akademikerin mit polnischen Wurzeln dafür einsetzte, die bei Schwulen und Lesben beliebte Regenbogen-Flagge in der Stadt zu hissen, plädierte Ghalib indirekt dafür, die muslimisch-konservative Bevölkerung von Hamtramck nicht zu provozieren.
Letztere Gruppe hat über die Jahre an Einfluss gewonnen. 60 Prozent der Einwohner Hamtramcks haben Wurzeln im Jemen und in Bangladesch. Auch aus Bosnien und dem Irak hat es Muslime als Flüchtlinge in den Mittleren Westen der USA gezogen. Das hat den lokalen "melting pot" mächtig verändert.
Deutsche Gründung
Einst von Deutschen gegründet, wurde die Kleinstadt durch die riesige Dodge-Autofabrik zu einem Anlaufpunkt für europäische Migranten. Anfang der 1920er-Jahre wurden in Hamtramck 60 Sprachen gesprochen. Polen waren die dominierende Kraft. Sie stellten über 100 Jahre regelmäßig den Bürgermeister/die Bürgermeisterin in "Poletown". Muslime kamen zum ersten Mal in den 60er-Jahren aus Albanien als Arbeitssuchende in die Stadt.
Während im Umkreis seit langer Zeit Wegzüge das Bild bestimmten, legte die Einwohnerzahl in Hamtramck von knapp 22.000 im Jahr 2010 auf rund 30.000 (2020) zu. Über die Hälfte sind keine Christen. In diesem Faktum sieht die scheidende Ortschefin auch einen Aspekt von Amer Ghalib Sieg: Er sei "näher an der Sprache, Herkunft und den spezifischen Hintergründen vieler Wähler."
Treffen mit Joe Biden
Jüngst erst tauchte sogar US-Präsident Joe Biden in Hamtramck auf. Er stellt in der neuen "Factory Zero" von General Motors neue E-Mobil-Autos wie den "Hummer E. V." vor. Noch-Bürgermeisterin Majewski nahm ihren Nachfolger wie selbstverständlich mit: "Ich habe großes Interesse daran, dass er für Hamtramck Erfolg hat."
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